von Laura Schäffner
David steht auf dem fast leeren Parkplatz und ist wütender, als er es seit Langem war. Das Problem ist nur, dass sich seine Wut gegen ihn selbst richtet und einen Kampf gegen sich selbst kann man nie gewinnen, also fängt er ihn gar nicht erst an. Wie konnte er so dumm sein und nicht bemerken, welchen Kampf Iris ausgefochten hat? Wie konnte er sehen, dass sie keinen Tropfen Alkohol angerührt hat, aber nicht verstehen, was dahinter stecken könnte?
Als ihm sein Handy heute Morgen eine Mailboxnachricht angezeigt hatte, hatte er angenommen, sie sei von Moni. Als er dann Iris’ Stimme erkannte, war er mehr als überrascht gewesen. Erst hatte er sich einfach gefreut, dann war er verwirrt gewesen – auch weil er ihr Genuschel nur sehr schlecht verstanden hatte und sie scheinbar immer wieder den Faden verloren hatte – und am Ende hatte er endlich verstanden und sich innerlich verflucht.
Jetzt steht er hier, an einem Ort, an den er so schnell nicht geplant hatte zurück zu kommen, vor dem Gemeindezentrum, in dem regelmäßig Selbsthilfegruppen angeboten werden. Immerhin ist er dieses Mal ziemlich sicher zur richtigen Zeit da zu sein. Und außerdem ist er nicht alleine. Seine Tochter steht neben ihm, außerdem zwei weitere Kinder, die eigentlich zu alt sind als solche bezeichnet zu werden. Sarah macht ein Gesicht, als hätte sie Angst bei etwas Verbotenem erwischt zu werden. Phil dagegen lehnt zu lässig an seinem Auto, als dass man es ihm abnehmen könnte.
„Mama bringt uns um. Das hier ist doch eigentlich auch nichts anderes als ein Blind Date. Und weißt du noch, wie sie da ausgerastet ist?“, fragt sie mit einem schuldvollen Blick auf ihren Bruder.
„Darüber machst du dir Sorgen? Ich glaube kaum, dass sie in der Position ist, uns eine Predigt zu halten, wenn man bedenkt, warum sie gerade da drin ist.“ Er deutet auf die Tür vor ihnen.
Sarah rollt nur mit den Augen.
„Immerhin holt sie sich endlich Hilfe“, fügt Phil hinzu.
Dass sie alle hier stehen war nicht unbedingt geplant gewesen. Es war nicht so, dass sie sich alle hier verabredet hätten, viel mehr hatte jeder für sich beschlossen, so schnell wie möglich seine Solidarität und Liebe zu zeigen – wobei Jule wohl nur hier ist, in der Hoffnung Phil zu sehen. Und so war zwar keiner mit dem anderen zusammen hergekommen, andererseits auch nicht besonders überrascht gewesen, den jeweils anderen hier zu sehen.
Iris ist das schon, also überrascht. Aber als David ihren Blick auffängt, weiß er: auch, wenn er vielleicht nicht alles, so doch vieles richtig gemacht hat.
DREI STUNDEN SPÄTER
Iris‘ Telefon klingelt und sie muss grinsen, als sie den Namen auf dem Display liest.
„Ich dachte drei Stunden sind genauso gut wie drei Tage oder was meinst du?!“, fragt Davids Stimme und beide müssen lachen.
© Laura Schäffner 2024-03-08