Wenn um 18 Uhr die Trommeln wirbeln

Bettina Horvath

von Bettina Horvath

Story
2020

Gestern, mitten im Corona Lockdown, ging ich mit meinem Hund zufälligerweise um genau 18 Uhr am Rande des Kirschblütenparks im 22. Bezirk spazieren. Hinein dürfen wir nicht (Hundeverbot), aber oft schnuppern wir ein bissl am Rand. Gerade sind alle Bäume in herrlichster Blüte!

Der Park ist umringt von mehrstöckigen Wohnhäusern. Punkt 18 Uhr kamen die Leute auf die Balkone und fingen zu klatschen an. Mein Hund war sehr verunsichert, aber ich hielt inne und war zutiefst bewegt und berührt, weil es eine wunderbare Erinnerung in mir weckte.

Vor ziemlich genau 20 Jahren (Februar 2000) befand ich mich allein auf einem Berg, nur mit Schlafsack und 20 l Wasser für 4 Tage. Ich befand mich auf einem sogenannten „Vision Quest“. Das ist ein Prozess über 10 Tage, in dessen Mitte eben diese 4 Tage alleiniges Fasten im Gebirge/Wald ist.

Warum macht man sowas? Begibt sich freiwillig in Isolation? Ohne Essen? Ohne Kommunikationsmittel?

Für mich war es ein Prozess der Selbstfindung. Ich hatte unglaubliche Angst vorm Alleinsein, der Einsamkeit und ich hoffte, das ablegen zu können. So setzte ich mich also da auf meinen einsamen Platz und war nur mehr mit mir selbst und der Natur im Einklang.

Jeden Tag um Punkt 18 Uhr dröhnten die Trommeln aus dem Basecamp. Sie waren die einzige Verbindung zu den Begleitern, die in einem nicht sichtbaren, ca. 2 Stunden Fußmarsch entferntem Ort an uns dachten.

Es gab mir ein Gefühl der Gemeinsamkeit. Wir waren getrennt, aber doch zusammen.

Genauso wie das 18 Uhr Klatschen in Zeiten der Coronakrise. Genau deswegen ist es auch so wichtig. Halten wir das aufrecht. Erinnern wir alle da draußen, die für uns das Nötigste erledigen, und uns selber, dass wir verbunden sind und ihnen sehr dankbar.

Was mit meiner Angst geschah?

Etwas sehr wunderbares, aus der Angst wurde ein absolutes Freudenfest. Diese 4 Tage am Piketberg in Südafrika, inmitten echter Skorpione, giftiger Schlangen und freilaufenden Geparden, zählen bis heute zu meinen wunderschönsten Tagen. Ganz alleine fühlte ich mich so geborgen wie nie zuvor und nie mehr danach.

Ich hatte eine selbst gebastelte Flöte mit (von jemand anders) und spielte jeden Tag die gleiche Melodie, sie hat mich irgendwie gefunden. Ich spürte immer den Drang sie zu wiederholen. Als alle Teilnehmer wieder vereint waren erzählte mir ein „Kollege“, dass er meine Flöte hörte und sie für ihn zu einem wichtigen Bestandteil seines Tages wurde. Es half ihm auf seiner inneren Reise.

Wie sehr wir doch alle zusammenhängen, auch wenn wir räumlich getrennt sind! Das ist das schöne, wir sind letztlich alle eins.

Lasst uns klatschen um 18 Uhr. Vielleicht sollten wir das Ritual nie wieder aufhören?

© Bettina Horvath 2020-03-24

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