von Marcel Schischeg
Eine Begegnung, die viel in mir auslöst.
Nach all der langen Zeit, in der wir uns nicht gesehen, nichts voneinander gehört haben, da erblicke ich dich nun endlich wieder, im Café gegenüber. Du siehst atemberaubend aus, das muss ich gestehen. Aber allein bist du nicht. Ich habe zwar gehört, dass du jemanden kennengelernt hast, aber dich jetzt mit ihm hier zu sehen, kommt mir schon irgendwie komisch vor. Ihr sitzt da, nur wenige Meter von mir entfernt, haltet einander an der Hand, tauscht bedeutungsvolle Blicke aus. Plötzlich fühle ich dich wieder so nah.
Doch ein Recht darauf, eifersüchtig zu sein, habe ich nicht. Es war die richtige Entscheidung von dir, dein Herz jemand anderem anzuvertrauen. Ich war es schließlich. Ich habe alles zerstört. Dich für selbstverständlich gehalten. Dir nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die du, nein, die jede Frau verdient hat.
Du bist es gewesen, die sich für unsere Beziehung eingesetzt hat, die immer dann für mich da gewesen ist, wenn es düster über mir wurde, die sich selbst zurückgenommen hat, um mich dabei zu unterstützen, meine Träume zu erfüllen. Und was habe ich daraus gemacht?
Ich wollte und konnte dir damals nicht eröffnen, welche Selbstzweifel ich doch hatte. Und anstatt mich dir anzuvertrauen, habe ich alles nur schlimmer gemacht. Damit begonnen, dich zu ignorieren. Ich hätte dich in den Arm nehmen sollen, um dir zu zeigen, wie wichtig du mir doch bist, welchen Stellenwert du in meinem Leben genießt. Doch Zärtlichkeiten? Fehlanzeige. Ich habe dich emotional ausgenutzt, deine Gefühle bitterböse verletzt. So war ich damals, dachte dieser Teil gehört zu mir, dass ich einfach so bin, mir nichts etwas anhaben kann.
Ich hoffe, dein neuer Partner schenkt dir all die schönen Komplimente und Augenblicke – weil ich weiß, wie gut sie dir tun, und du sie einfach verdient hast –, die ich dir niemals geben konnte, weil mir mein Stolz, der King sein zu müssen, im Weg gestanden ist, unsere Beziehung endgültig vergiftet hat. Wie kindisch und egoistisch ich doch war.
Aber mit der Zeit lernt man. Vor allem, aufrichtige Menschen wertzuschätzen. Und so hätte ich auch dich und deine Gefühle mir gegenüber behandeln sollen und nicht bloß ständig platte Sprüche schieben.
Und wenn ich dich so an der Seite deiner neuen Liebe sehe, wie glücklich du dabei aussiehst und du dieses bezaubernde Lächeln wiedergefunden hast, welches ich dir vorübergehend genommen habe, da freut es mich wirklich sehr für dich. Du verdienst es ganz einfach, glücklich zu sein.
Ich überlege, ob ich nicht kurz zu euch hinübergehen soll. Für eine Entschuldigung ist es schließlich nie zu spät. Doch ich lasse es lieber.
Hier, in dieser Umgebung, mit deiner neuen Liebe an deiner Seite, ist nicht der passende Rahmen dafür. Doch sollten wir uns nicht mehr wiedersehen, dann hoffe ich, du liest irgendwann diese Zeilen und erfährst, dass es mir wirklich unendlich leidtut. Möge eure Beziehung alle Krisen dieser Welt bestehen.
– M. S.
© Marcel Schischeg 2022-08-20