von Sonja M. Winkler
Den Weg zum „Korotan“ lege ich zu Fuß zurück. Das Hotel liegt in einem ruhigen Seitengässchen in der Josefstadt. Sein slowenischer Name verweist auf Karantanien, ein ehemals slawisches Fürstentum, entstanden nach der Völkerwanderung auf dem Siedlungsgebiet von Kärnten. Im „Korotan“ finden regelmäßig Kulturveranstaltungen der slowenisch sprechenden Community statt.
Vor zwei Wochen schickte mir E., die ich seit einem Jahr nicht gesehen habe, eine Einladung zu einer Vernissage ebendort. E. arbeitet in der slowenischen Tourismuszentrale in der Innenstadt.
Während ich durch die Gässchen schlendere, kommt mir der Urlaub im Sočatal in den Sinn, August 2018. Ein Paradies, schwärmte mir E. vor, da müsst ihr hin, und drückte mir einen Packen Broschüren in die Hand, mit Bildern von der Soča, smaragdgrün und klar. Atemberaubende Wasserfälle. A. und ich gingen zwei Etappen des Alpe Adria Trails. Schautafeln entlang des Weges. Die Isonzo-Schlachten, die verlustreichsten des Ersten Weltkrieges. Und das Gemetzel geht heute andernorts weiter.
Großstadtgetriebe auf der Josefstädterstraße. Ich erreiche das Café Hummel. Der Schanigarten ist leer. Ich biege in die Albertgasse. Ein paar Schritte noch zum „Korotan“.
Schon vom Gehsteig aus sehe ich durch die Glasfront Bilder an der Wand, ca. 50 x 50. Porträts. Überwiegend Frauen, die lachen. Besucher sind erst wenige da.
E. kommt kurz nach mir an, etwas abgehetzt. Wir fallen uns in die Arme. Der Fotograf zückt seine Kamera. Als er abdrückt, hat er Schluckauf. Er sagt „sorry“. Wir lächeln. Ich hoffe, die Bilder sind nicht verwackelt.
E. stellt mir die Künstlerin vor, Susanne Korab. Wir kommen ins Gespräch. Auffallend, sag ich, dass die Menschen, die sie porträtiert, alle freundlich dreinsehen. Das sei ihr wichtig, erklärt sie. Schon als Kind war sie von Gesichtern fasziniert. Ihre Eltern hatten einen Friseursalon, und wenn Frisurenmeisterschaften in den Sophiensälen abgehalten wurden, in diesem prächtigen Ambiente, sagt sie, hat sie aufgeputzte Damen bewundert.
Sie sagt, in jedem Gesicht sei etwas Schönes, und das wolle sie zum Vorschein bringen. Ich finde, das gelingt ihr. Sie zeichnet am Laptop, sagt sie, nach Foto-Vorlagen. Dann verwendet sie ein Wort, das ich als „Ali Dupont“ notiere, was sich später als Falschschreibung herausstellt. Denn Google spuckt den Terminus technicus sofort aus. „Alu-Dibond“, eine geschützte Bezeichnung für 3-lagige Aluminiumplatten, auf die Susanne Korabs Bilder gedruckt sind.
Orangenwein wird herumgereicht. Der Fotograf wird von Schluckauf geplagt.
Wir begeben uns in den Keller, wo das Streichquartett „Korotan“ für musikalische Untermalung sorgt. Der völkerverbindende Bogen spannt sich von der Pizzicato-Polka über slowenische Volkslieder hin zu Csárdás und Tango. Tosender Applaus.
Danach drängt alles zum Buffet, zu Brötchen, Wein und süßen Happen.
© Sonja M. Winkler 2022-11-14