Wer nimmt mich?

Maria Büchler

von Maria Büchler

Story

Im Großen und Ganzen bin ich ein gesunder Mensch. Ich ernähre mich ausgewogen und lebe vernünftig. Während meiner Luzerner Zeit brauchte ich zum Glück nur selten einen Arzt. Doch ich wusste, an welchen ich mich wenden kann, wenn etwas nicht in Ordnung war.

Seit bald zwei Jahren wohne ich wieder im Ländle und habe keinen ärztlichen Rückhalt mehr. Mit Ü70 kommt aber doch das eine oder andere Zipperlein. Im Notfall möchte ich wissen, an wen ich mich wenden kann, um nicht erst dann mit der Arztsuche beginnen zu müssen.

Also durchkämmte ich das Internet und fand in einer Nachbargemeinde einen Arzt, der noch Patienten annahm. Er war mir von zwei Frauen empfohlen worden, auf dem Weg zu ihm lobte ihn noch eine dritte. Sehr zufrieden verließ ich die Praxis. Zu meinem Bedauern musste ich jedoch erfahren, dass sich der Doktor mit Ende Februar pensionieren lässt. Seither bemühe ich mich um einen anderen praktischen Arzt.

Auch mit meiner Sehkraft war ich stets zufrieden. Natürlich brauche in seit einigen Jahren eine Lesebrille, das ist normal. Seit Jahren bemerke ich jedoch eine lästige Sehstörung, die immer häufiger auftritt. Ein Gang zum Augenarzt ist sicher nicht verkehrt, zumal bei uns Senior*innen auch der graue Star droht.

Wieder begann ich mit der Suche in der Nähe meines Wohnortes. Ich muss gestehen, dass ich mir diese Nachforschungen leichter vorgestellt habe. Entweder wurde mein Anruf nicht entgegengenommen, oder das Email mit meiner Anfrage blieb ohne Antwort. Kam dennoch ein Kontakt zustande, wurde mir erklärt, dass keine neuen Patienten angenommen werden. Bei einer weiteren Ärztin erhielt ich die Antwort, ich könne es bei ihr in der folgenden Woche ab 7:30 Uhr versuchen, müsse mich aber mit Geduld wappnen. Eventuell könne sie mich zwischen zwei Patienten schieben.

Ich fand mich um acht Uhr ein. Das Wartezimmer war proppenvoll, manche Patienten mussten stehen. Am Empfang wurde ich abgewiesen. PUNKT halb acht müsse ich da sein, nicht AB. Ja aber… Einen Termin für eine Kontrolluntersuchung im Oktober 2022 erhielt ich jedoch.

Als Nachtmensch fällt es mir nicht leicht, so früh aufzustehen. Doch ich versuchte es nochmals und stand heute Morgen Punkt halb acht vor der Tür zur Ordination. Davor drängte sich bereits eine Traube von weit mehr als 20 meist jungen Menschen. Ich kehrte gleich wieder um. Obwohl dreifach geimpft ist mir das Gedränge momentan zu riskant.

Mittags erfuhr ich, dass mein Schwager von einem Augenarzt mit unaussprechlichem Namen sofort behandelt worden und mit ihm sehr zufrieden sei. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, rief an, kam sofort durch, erhielt einen Wunschtermin und konnte mein Glück kaum fassen. Den relativ weiten Weg zu ihm in die Landeshauptstadt nehme ich gern auf mich.

Jetzt brauche ich nur noch einen Allgemeinmediziner. Ich werde meine Suche bei fremd klingenden Namen beginnen.

Liebe Ärzte! Bitte lasst uns Gsiberger nicht hängen! Schlagt eure Zelte doch auch bei uns auf! Bitte!

© Maria Büchler 2022-01-27