Im Prater blüh’n wieder die Bäume

Story

„Im Prater blüh’n wieder die Bäume, in Sievering blüht schon der Wein. Da kommen die seligen Träume,es muss wieder Frühlingszeit sein…“

Dass Robert Stolz die Melodie zu diesem Jahrhundert-Hit geschrieben hat, ist hinlänglich bekannt. An den Namen des Texters erinnert sich heute keiner mehr. Kurt Robitschek wurde am 23. August 1890 in Prag geboren. Die soliden Berufspläne seines Vaters Ludwig, einem jüdischen Bankangestellten, durchkreuzte der Sohn, als er mit 16 Jahren das Gymnasium abbrach und mit einem Wanderzirkus durch die Lande zog. In Wien arbeitete er als Journalist und entdeckte im Kabarett Simpl die Liebe zur Kleinkunst.

1912 schrieb Robitschek das erste Operettenlibretto. Komponist zu „Du liebes Wien“, so der Titel, war Robert Stolz. 1916 – mitten im 1. Weltkrieg, wo Robitschek einen Bauchschuss erlitt – gelang ihm mit Stolz der walzerseelige Gassenhauer „Im Prater blüh’n wieder die Bäume“.

Stolz und Robitschek waren ein gutes Team. Mehr als 90 Lieder gehen auf ihr Konto. Und noch heute freut sich nicht nur die Tourismusbranche über einen weiteren Welterfolg aus Robitscheks Feder: „Die Stadt meiner Träume“, besser bekannt unter dem Titel „Wien, Wien, nur du allein“ (Musik: Rudolf Sieczynski). Anfang der Zwanziger Jahre ging Robitschek nach Berlin und gründete 1924 mit drei Schauspielerkollegen das “Kabarett der Komiker.” Er trat dort als Conferencier auf und schrieb satirische Lieder und Texte zum aktuellen Zeitgeschehen.

Das KadeKo wurde Anziehungspunkt für die berühmtesten Kabarettkünstler ihrer Zeit. Robitschek, der nie ein Blatt vor den Mund nahm, witterte schon früh die Gefahr, die durch den aufkeimenden Nationalsozialismus drohte, und brachte bis 1932 die Operettenparodie „Quo Vadis“ auf die Bühne. Die erste, beißende, ätzende, viel beachtete und wenig befolgte Satire gegen Adolf Hitler, wie Robitschek vermerkte. Was von ihm als Warnung gedacht war, sollte sich später als Verderbnis für die jüdischen Künstler herausstellen.

Nach der NS-Machtübernahme musste das KadeKo 1933 zusperren. Robitschek flüchtete über Prag nach Wien, wo er in den Kammerspielen die „Bühne des Lachens“ gründete. 1936 war aber auch ihm das Lachen gründlich vergangen, und er emigrierte mit seiner Frau, der Schauspielerin Ilse Bois, nach Amerika. In New York legte er seinen ursprünglichen Namen ab, nannte sich Ken Robey und fand eine neue geistige Heimat in den Kaffeehäusern, wo die Exil-Juden Kabarettabende veranstalteten.

„An der schönen roten Donau wohnt jetzt wiederum das Glück, und im Prater blüh’n die Bäume, sag’n S’, Herr Kohn, wann kommen S’ z’rück? An der schönen roten Donau herrscht jetzt wieder Glück und Scherz. Mir ham schließlich kan Charakter, doch wir ham a gold’nes Herz“, schrieb er für Hermann Leopoldi. Robitschek kehrte nie mehr nach Wien zurück und starb am 16. Dezember 1950 in New York an Lungenkrebs.

© 2021-03-08