Wer schrieb “Wunder gibt es immer wieder”?

Story

“Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen können sie geschehen. Wunder gibt es immer wieder, wenn sie dir begegnen, musst du sie auch sehen… Kurz vor Einsendeschluss zum Grand Prix d’Eurovision de la Chanson 1970 in Amsterdam rief der Textdichter Günter Loose seinen Freund, den Komponisten Christian Bruhn, an: „Du, wir haben da noch eine angefangene Country-Nummer, die heißt ‘Wunder gibt es immer wieder’. Die sollten wir einreichen. Mach‘ eine schöne Festival-Musik dazu, vielleicht etwas langsamer, bedeutender, ich kann ja den Text ändern, wenn’s nötig ist.” Bruhn machte sich gleich ans Werk. Innerhalb weniger Stunden schrieb er eine Melodie mit einem spannungsgeladenen Intro, dazu ein Arrangement mit Bigband und Streichern. Dann hofften die beiden auf ein Wunder. Und es kam. Katja Ebstein holte sich den 3. Platz beim Grand Prix.

Rudolf Günter Loose, geboren am 5. Februar 1927 in Berlin, interessierte sich schon in jungen Jahren für Unterhaltungsmusik und Jazz. Mit einer Künstler-Agentur für Jazz erlitt er Schiffbruch, danach versuchte er sich als Lesezirkel-Vertreter, Regieassistent und klinkenputzender Schlagertexter. Erstmals auf offene Ohren stieß er bei dem Komponisten Gerhard Honig, Musikredakteur des Deutschlandsenders, der im Osten der damals noch nicht geteilten Stadt Berlin ansässig war. “Ein kleiner Ne gerjunge träumt von einer Schneeballschlacht”, so lautete der Titel und wurde von der dunkelhäutigen Leila Negra gesungen. (Mit diesem Titel käme sie wohl heute nicht durch die Zensur.)

Den Durchbruch in der BRD erlebte Günter Loose 1959 mit dem Song “Ein Mädchen mit 16”, gesungen von Conny Froboess. Das brachte ihm die erste Hitparadenplatzierung ein. 1960 verschaffte Loose mit “Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strand Bikini” Catarina Valente den Sommerhit des Jahres. Jedes neue Lied von Freddy Quinn bedeutete damals eine Goldene Schallplatte. Deshalb suchte Loose den Kontakt zu Freddys Komponisten Lotar Olias. So entstanden “Du musst alles vergessen,” “La Guitara Brasilana” und “Irgendwann gibt’s ein Wiedersehen”. Mit Christian Bruhn schrieb er für Drafi Deutscher “Marmor, Stein und Eisen bricht” (wegen des Grammatikfehlers durfte das Lied in Bayern nicht im Radio gespielt werden), für Manuela „Ich geh’ noch zur Schule“ und für Roberto Blanco “Ein bisschen Spaß muss sein”. Dieser Titel war auch Looses Lebensmotto. Er schuf ingesamt 3000 Lieder, u.a. für Rex Gildo, Vicky Leandros, Ireen Sheer, Ricky Shayne und Ted Herold sowie die ehemaligen Eislaufstars Marika Kilius und Hans Jürgen Bäumler.

1984 wollte er es noch einmal wissen und schickte die Schweizer Formation “Rainy Day” mit dem Lied “Welche Farbe hat der Sonnenschein” zum Grand Prix nach Luxemburg. Das Lied landete auf Platz 17 und Loose beendete seine Karriere als Textdichter. Bis 2002 betrieb er in Zürich eine Künstleragentur, ehe er sich zurückzog und am 3. Oktober 2013 mit 86 Jahren in der Schweiz starb.

© 2021-07-20

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