von Johannes H.
Heute ist ein wunderschöner Sonntag, an dem mich die Sonne wachgekitzelt hat, leider nur eine Stunde zu spÀt. Ich sollte schon seit 7 Uhr morgens auf einem Fest sein, auf dem ich jedes Jahr aushelfe. Gegen 8:30 Uhr komme ich an. Beim Krapfenverkauf bin ich heute eingeteilt, mit einer Nadine, die ich noch nicht kenne. Krapfenverkauf bedeutet, dass ich den ganzen Tag von der Backstation Krapfen hole und diese dann an den aufgestellten Biertischen den GÀsten verkaufen soll. Na gut, dann mache ich mich mal an die Arbeit.
An der Backstation finde ich meine heutigen Produkte und auch Nadine. Ich weiĂ nicht, was einen kĂ€lteren Eindruck auf mich macht, Nadine oder die rohen Krapfen aus der KĂŒhlung. Höflich begrĂŒĂe ich sie und frage, ob sie lieber die Krapfen oder die Brieftasche haben will. âAm liebsten keins von beiden“. Schwieriges Publikum. „Dann nehme ich die Krapfen und du die Brieftasche, okay? Du musst dann nur das Geld fĂŒr die Krapfen bei den Leuten eintreiben“. Ihr Augendrehen und Kopfnicken werte ich als Ja. AnschlieĂend begrĂŒĂe ich noch die Leute in der Backstation und greife einen Krapfen fĂŒr Nadine und mich ab, schlieĂlich mĂŒssen wir ja unser Produkt kennen um es gut verkaufen zu können. Ich gebe ihr den Krapfen, da sagt sie leise danke. âDas ist das netteste, das ich jemals von dir gehört habe!â, antworte ich. In ihrem steinernen Gesicht kann ich fast ein Zucken der Lippen erkennen. Fast!
Die Stunden vergehen und die Krapfen kommen gut an, nur Nadine nicht. Sie ist unhöflich, kalt und nicht sehr gesprÀchig.
âHallo den jungen MĂ€dels, ihr habt bestimmt Hunger auf einen Krapfen!â begrĂŒĂe ich einen Tisch mit Seniorinnen. Ich kann das Augenverdrehen von Nadine direkt spĂŒren. Als eine der Damen Nadine fragt, ob ich auch zu verkaufen sei, muss sie endlich ein wenig lĂ€cheln, zum ersten Mal heute.
Wir kommen an den nĂ€chsten Tisch, diesmal mit alten MĂ€nnern. Bevor ich was sagen kann, begrĂŒĂt Nadine sie mit âHallo den jungen Burschen, ihr habt bestimmt Hunger auf einen Krapfen!â. Ich weiĂ genau, dass sie mich jetzt ein wenig auf den Arm nehmen will damit. âDu kannst doch nicht unsere GĂ€ste angraben!â sage ich kĂŒnstlich empört. Nadine wirft mir einen bösen Blick zu und rempelt mich mit dem Ellbogen an, worauf ich laut lachen muss. Der ganze Tisch lacht, der ganze Tisch kauft Krapfen. Danach werden wir immer eingespielter und verkaufen mit Charme, Höflichkeit und Witz unsere Krapfen. Nadine und ich necken uns immer wieder, zum SpaĂ unserer GĂ€ste oder den Leuten in der Backstation.
In einer kurzen Bierpause, die wir uns von Zeit zu Zeit gönnen, fragt sie mich, warum ich so bin. âWie meinst du?â â âSo fröhlich und nett und dass auch noch bei einer Arbeit wie Krapfen verkaufen. Oder spielst du das nur um viel zu verkaufen?â. âIst mir nicht aufgefallen, dass ich heute anders wĂ€re als sonst. Denke ich bin einfach so, das musst du heute wohl noch aushaltenâ. Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange und beendet die Bierpause mit âKomm! Die Krapfen und GĂ€ste warten!“.
© Johannes H. 2021-05-04