Wer zu spät kommt, der bekommt Fritattensuppe

Claudia Schwarz

von Claudia Schwarz

Story

Auf Berghütten gibt es oft ein strenges Regime – Herr oder Frau Hüttenwirt*in sagt ganz klar wo s lang geht. Schließlich sind Herr oder Frau Gast nur 1-2 Nächte dort – da ist es leicht manche Dinge lockerer zu sehen. Herr oder Frau Hüttenwirt*in dagegen muss sich täglich mit vielen Gästen mehr oder weniger plagen. Soweit so gut.

Sommer 22, Klettersteige sind eine meiner großen Leidenschaften und gemeinsam mit meinem Freund Thomas wurde der Königsjodler geplant. Wann haben wir beide Zeit? Wann gibt es freie Plätze auf der Hütte? Ende September – gebucht.

Mitte September: wenn das mit dem Wetter so weiter geht, dann wird das nix mim Königsjodler. Und tatsächlich – der Schnee ist gekommen um zu bleiben (zumindest ab 1700m und der Königsjodler geht fast bis auch 3000m rauf) und damit war klar, es braucht einen neuen Plan.

Das Wetter für die beiden Tage war perfekt angesagt, Sonnenschein pur! Der neue Plan: Hochkönig über den Normalweg. Mit guter Ausrüstung und einer Umkehrzeit – und nicht zu früh los, in der Hoffnung, dass dann schon jemand gespurt hat. Soweit so gut.

Ich komme am Vortag um 22 Uhr in München an, wir planen noch bis Mitternacht und um 6 Uhr machen wir uns auf den Weg zum Arthurhaus, dem Startpunkt für unsere Tour. Wir sind hochmotiviert, gut gelaunt und perfekt ausgerüstet. Schneeschuhe, Pickel, Steigeisen, Gamaschen, Biwaksack, Tee, Mütze, Handschuhe, gute Stirnlampen… Bereit für eine Expedition!

Am Arthurhaus trinken wir noch einen Kaffee und ich telefoniere noch mit meinem (damals noch hoffentlich – heute schon wirklich) zukünftigen Chef. Schließlich ist es 10 Uhr bis wir tatsächlich loskommen. Viel Ausrüstung wiegt viel und wir gehen es gemütlich an. Regelmäßig checken wir die Lage: wie spät ist es, wie ist der Weg, was kommt noch, wie geht es uns.

Entgegenkommende Bergsteiger*innen berichten von 7 Personen, die vor uns sind, mehrere drehen um, vor allem die, die nicht übernachten wollen. Alles ist im grünen Bereich – die letzte Umkehrzeit legen wir mit 16 Uhr fest und entscheiden uns schließlich für s Weitergehen.

Der Weg zieht sich und mit dem Schnee und dem schweren Rucksack sind wir langsam unterwegs. Schließlich erreichen wir die Hütte im letzten Abendlicht – erschöpft und glücklich. Als wir die Hütte betreten werden wir wie Außerirdische angeschaut. Jetzt, um diese Zeit noch? Äh, ja, es geht uns eh gut. Wir freuen uns da zu sein.

Zum Essen gibt s nur mehr Fritattensuppe. Gewürzt mit Unverständnis über unser spätes Aufbrechen.

Ja eh, wir wissen, dass wir noch Reserven gehabt hätten – und wir sind Herr und Frau Gast, die alles leichter nehmen können, weil wir nicht fast täglich mit Leuten konfrontiert sind, die sich überschätzen und damit sich und andere in Gefahr bringen. Aber trotzdem, wirklich willkommen gefühlt haben wir uns nicht.

Wir haben jetzt ein neues Codewort für spärliche Gastfreundschaft: Fritattensuppe – und freuen uns schon auf den nächsten Hüttenbesuch, wo wir wirklich willkommen sind.

© Claudia Schwarz 2022-10-02