von Maresa May
Wir befinden uns im Norden von Yucatán. In Playa del Carmen werden wir mit einer Gruppe von einem mexikanischen Guide abgeholt, der uns mit seinem Wissen durch die Ruinen der Mayastätte in Tulum führen wird. Es verspricht ein lustiger Ausflug zu werden, denn er stellt sich als Werner vor. Ja, Werner und nein, er hat keine deutschen Wurzeln. Seine Eltern fanden den Namen einfach toll, „weil er so international klingt“.
Über eine Stunde dauert die Busfahrt nach Tulum (in der Maya-Sprache touristisch-offiziell „Mauer“,“Festung“, laut Werner aber in Wahrheit „der Ort, der stinkt“). Viel zu wenig Zeit, wie Werner meint. Seine Leidenschaft, uns die Geschichte Mexikos näherzubringen, ist groß und eine Stunde bei Weitem nicht ausreichend. Werner hätte Lehrer werden sollen. Er bringt die Geschichte lebhaft rüber und erzählt so, dass man sie sich auch leicht merken kann. Außerdem wirft er immer ein, wenn (ihm) etwas besonders wichtig ist: „Achtung, jetzt gut aufpassen, das kommt zum Test! Ich mein es ernst. Am Ende unseres Tages gibt es einen Test. Wer den nicht besteht, der muss hierbleiben. Aber nicht am Strand und zum Relaxen; zum Arbeiten!“
In Tulum selbst kann er uns endlich Einiges seiner Erzählungen in der Realität zeigen: „Und was haben wir gelernt, wie das heißt?“
Die Mitarbeit der Gruppe lässt etwas zu wünschen übrig, doch der motivierte Werner wird nicht müde uns ein paar Vokabeln und Fachbegriffe beizubringen („Süßwasserhöhlen sind Cenotes, der Wassergott heißt Chac, viele Stätten waren einem Gott gewidmet, wem ist Chacchoben gewidmet? Richtig, Chac, dem Wassergott! Wo eine Maya-Stadt ist, gibt es immer auch was? Eine Cenote! Und was ist für alle Stätten wichtig und wem dankt man? Chac für die Cenote!“). Auch die Mitarbeit, wenn es um die Eigenverantwortung geht, ist eher schwach. Werner hat es echt nicht leicht, bleibt aber entspannt und lässt sich von lästigen Zwischenfragen, auch wenn sie hundertfach gestellt werden, nicht nerven. Zwei Stunden Freizeit, dann treffen wir uns mit Werner am Ausgang des Ausgrabungsgeländes.
„Wo ist der Ausgang?“ – „Wie jetzt, wohin?“ – “Wann müssen wir da weggehen?” – „Wie weit ist der Weg?“ – „Und wo ist das nochmal?“
„Wenn Sie nicht rausfinden rechtzeitig, kein Problem, ich bin am Donnerstag wieder hier, dann nehme ich Sie am Donnerstag mit.“
Während bei einem beachtlichen Teil der Gruppe bereits ein dezenter Zeitstress ausbricht, genießen wir die Mayastadt und begeben uns sogar noch zur Abkühlung an den Strand.
Und warum genau stinkt Tulum?
Tulum ist von Mangrovenwälder umgeben. Mangroven sondern Bakterien ins Wasser ab, die nützlich für das Ökosystem sind, aber aufgrund des Schwefelgehalts nach faulen Eiern riechen. Danke, Werner!
© Maresa May 2020-08-29