Wie alles begann

Anton Wintersteller

von Anton Wintersteller

Story

Es war rückblickend eine lange Reise, auch wenn ich erst vor fünf Jahren erstmals diesen südlichen Kontinent betrat. Begonnen hat die Reise allerdings schon in meiner Kindheit, wie ein roter Faden zieht sich diese Reise durch mein bisheriges Leben. Noch bevor ich in der Volksschule über Europa hinaus denken konnte, hörte ich von der Mission katholischer Schwestern und Patres, die in aller Welt Jesus den “Ungläubigen” verkündeten und sie tauften. Obwohl ich selbst aus heutiger Sicht arm aufgewachsen bin, hatte ich doch als Bergbauernkind am Wolfgangsee das Notwendige zum Leben.

Damals gab es noch kein Taschengeld, einige Schillinge gab es für den Ministrantendienst, den ich meist mit Übereifer, trotz halbstündigen Wegs zur Pfarrkirche hinunter ausübte. Und da war dann die Blechbüchse mit einem afrikanischen Kind drauf, die uns der Pfarrer mit der Erwartung übergab, dass sich vom Ministrantengeld doch ein Teil in dieser Büchse findet. Es waren Zehngroschenstücke, fallweise ein Fünfzigerl und seltener eine Schillingmünze. Letzteres eher, wenn im Sommer Urlaubspriester den berühmten Wallfahrtsort besuchten und auf den Ministrantendienst angewiesen waren. Die Messe war damals vor dem Konzil nur gültig, wenn eine Person die Messe mitfeierte. Oder bei Hochzeiten, beim Neujahreswünschen oder Osterratschen, die einen etwas reichlicheren Geldsegen brachten.

Ja, aber zurück zur Blechbüchse, die füllte sich alle ein bis zwei Jahre und das erfüllte mich mit Freude und etwas Stolz, die volle gegen eine leere beim Pfarrer auszutauschen. Dass ich jemals mit Kindern und Jugendlichen in Afrika in Berührung käme, war damals undenkbar.

Dann gab es noch ein Weihnachtsgeschenk von meinem Bruder, ich war etwa zwölf Jahre alt. Ungewöhnlich, gab es doch zu Weihnachten nur das, was ich ohnehin dringend brauchte, Ein warmes Hemd, gestrickte Socken, eine Skihose oder einen Pullover. Es war das Buch mit dem Titel “Serengeti darf nicht sterben”. Ehrlich gesagt, ich habe das Buch nie ausgelesen. Lesen war nicht gerade das, was am Bergbauernhof als wertvolle Zeit bezeichnet wurde. Ich habe es nicht mehr in Erinnerung wann ich dieses Buch hinten gelassen habe, aber es ist mir immer in Erinnerung geblieben und es tut mir leid, dass es mir abhanden gekommen ist. Heute frage ich mich, hat die Reise nach Afrika damals innerlich schon begonnen? Zumindest das Interesse an einer Welt, die ganz anders aussah, fremd und fern und dennoch so nah durch die Blechbüchse mit dem kleinen Kind, das ich in jeder Weise als mir gleichwertig sah, aber das im Gegensatz zu mir, der alles Notwendige zum Leben hatte, an Hunger leiden musste und nichts zum Anziehen hatte. Dies hat sich in mir tief eingeprägt, sie dann auch noch katholisch zu machen, wie es in den Missionsschriften vermittelt wurde, war für mich nicht so wichtig. “Gebt ihr ihnen zu essen”, ist heute der Leitsatz für unsere Gruppe vom Gambia-Sponsoring. Er könnte damals schon in mir wach gewesen sein.

© Anton Wintersteller 2022-06-05

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