Wie der Kater zur Hexe kam

Fenja Harbke

von Fenja Harbke

Story

Keine Hexe war ohne einen tierischen Begleiter. Meistens Katzen, häufig Krähen und gelegentlich war auch ein ausgefalleneres Tier wie eine Schlange oder Ratte dabei. Dorika aber wollte eine Katze. Schon seit sie als kleines Mädchen beschlossen hatte, Hexe zu werden, wollte sie eine Katze. Allerdings gab es ein Problem.
Mit Mitte zwanzig war Dorika noch immer ohne Stubentiger. Obwohl sie bald schon zehn Jahre im Hexenzirkel war und sich in keinster Weise dagegen wehrte. Denn einen tierischen Begleiter musste man durch eine schicksalhafte Begegnung treffen. Sich gegenseitig das Leben retten oder auf einer Parkbank gemeinsam den Sonnenuntergang betrachten.
Dorika ging spazieren, soviel sie konnte, schaute in Bäche und Schuppen, ob es dort Katzen zu retten gab und stellte Katzenfutter in den Garten, über das sich zumindest die Igel freuten. Aber keine Spur von einer Katze.
Sie ging sogar ihrer Hexenfreundin Gosia damit auf die Nerven. Ob nicht ihre Katze oder irgendeine auf dem Hof bald werfen würde. Dorika könnte sich dann einfach eine aussuchen.
„Nein, gute Dorika, so funktioniert das nicht. Du kannst nicht einfach ein Katzenbaby mitnehmen, deine Katze muss dich auswählen.“
„Na schön…“
Irgendwann war Dorika so verzweifelt, dass sie ihrer Tante Zuzanne ihr Leid klagte.
„Du kannst das nicht erzwingen, Dorika. Wenn es so weit ist, wird es einfach passieren.“
Dorika hing am Telefon und so konnte ihre Tante nicht sehen, wie sie sich nebenher eine Tafel Schokolade einverleibte. Höchstens erahnen, weil sie mit vollem Mund weiter sprach.
„Wie lange soll ich denn noch warten? Ich bin eine Hexe und ich will eine Katze. Bei meiner Wäsche warte ich ja auch nicht darauf, dass sie sich von selber macht.“
„Geduld, Dorika.“
Geduld. Das hallte ihr noch lange nach, auch als das Gespräch längst zu Ende und die Schokolade leer war. Was, wenn dieser Schicksalsmoment niemals kam? Wenn sie wartete, bis sie alt und grau wurde? Sie wollte jetzt eine Katze, also kümmerte sie sich darum.

So kam es, dass Dorika gleich am nächsten Tag mit dem Besen zum Tierheim flog. In der nächstgroßen Stadt. Dort bekam man wohl nicht viele Hexen zu Gesicht, jedenfalls starrte die junge Dame am Empfang mit reichlich großen Augen auf ihren Hexenhut.
„Guten Morgen, ich suche eine Katze.“
„Was – äh – bestimmtes?“
Dorika seufzte. „Ich denke, ich muss mich überraschen lassen.“
Ihr Herz hüpfte vor Freude, als sie all die Tiere sah. Eine große, schwarze Katze mit nur einem, klugen Auge, eine herumtollende Tigerkatze und eine weiß gefleckte, die mit dem Bauch nach oben in der Sonne lag.
Und dann sah Dorika die graue Katze mit den blauen Augen. Sie saß auf einem Turm und reckte den Hals, um Dorikas Blick zu erwidern. Keiner von beiden blinzelte. Langsam streckte sie den Arm nach der silbergrauen Katze aus.
„Was ist mit der da oben?“
„Das ist ein Kater. Er heißt Tatze. Und äh… er ist etwas kontaktscheu…“
Dorika sah gemeinsam mit der jungen Frau zu, wie der Kater heruntersprang, seelenruhig auf sie zu spazierte und auf ihrer Fußspitze sitzen blieb.
Die Hexe lächelte. „Der hier ist perfekt.“

© Fenja Harbke 2023-11-29

Genres
Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Hoffnungsvoll, Unbeschwert
Hashtags