Wächst man in Österreich auf, so tut man dies mit einem Kaiser. Er lacht aus den Schaufenstern vieler Geschäfte und ist wichtiger Teil des Sachunterrichts. Wie der Kaiser genau hieß, wann er lebte und all diese wichtigen Details, waren in meiner Kindheit, mir und meinen Schulfreunden eigentlich “wurst”, wie man so schön bei uns sagt. Wir wussten, dass der Kaiser wichtig war und viele Gebäude von ihm erbaut wurden.
Österreich war einmal riesig, hatte man uns in der Schule erklärt. Riesig war aber auch das Freibad in Hadersdorf für uns.
Wichtigster Teil des Kaiserkults waren für uns immer die Kaiserin Sissi, die uns in Filmen und auf Bildern als Märchenprinzessin vorgestellt wurde, Maria-Theresia, die Schuld daran war, dass wir zur Schule mussten und das Schloss Schönbrunn mit dem Zoo.
Meine erste Begegnung mit Osterreichs berühmtester Kaiserin war ca. 1996. Meine Großmutter ging mit mir und meinem kleinen Bruder in der Kremser Landstraße spazieren. In dieser Fußgängerzone präsentierten viele Geschäfte Teile ihres Warenangebots in Wägen vor den Geschäften. Mir fiel mit meinen 5 Lenzen natürlich das große Buch mit der schönen Prinzessin drauf auf und obwohl ich noch nicht lesen konnte, schaffte ich es Oma vom Kauf des Buches zu überzeugen.
Später saß Oma dann mit mir auf der großen Ledercouch im Wohnzimmer. Liebevoll erklärte sie mir, dass die Frau auf dem Cover eine ganz berühmte Kaiserin war, bekannt für ihre Schönheit und die langen Haare, dass sie aber gruselige schwarze Zähne hatte. Deshalb lächelt sie auch auf keinem Bild.
Stundenlang konnte ich mich damit beschäftigen, das zahlreich bebilderte Buch durchzublättern. Ich lachte gerne über die lustigen Lockenfrisuren der Herzogin Ludovika, freute mich über die Bilder mit den Hunden und bestaunte die vielen hübschen Kleider.
Mama muss meine Begeisterung gespürt haben, oder ich habe sie genug genervt, denn zum Fasching durfte ich in diesem Jahr als Kaiserin gehen. Mama hatte einen weißen Tüllrock mit Sternen aus Alufolie geschmückt und mir die Haare besonders geflochten.
Erst in der Hauptschule habe ich das Buch dann tatsächlich gelesen. Ich war begeistert von den vielen Details, die das Buch über den Alltag von Kaiserin Elisabeth verriet. Natürlich zerstörte es die Märchenfantasie, die ich zuvor von Sissi hatte, aber es weckte mein Interesse an Alltagsgeschichte.
Übrigens besitze ich das Buch immer noch und da ich es immer mit Vorsicht behandelte, sieht es immer noch fast aus wie neu.
P.S.: Das Buch, “Sissi, Die schöne Kaiserin” von Ludwig Merkle gibt es immer noch zu kaufen.
© Bianca Überreiter 2022-03-11