Wie Dominic Thiem in Mamas Vorzimmer landete

Dorothee Bliem

von Dorothee Bliem

Story

Als ich letztens meine Mutter besuchte, stand da plötzlich ein Mann mit Orangensaft im Vorzimmer, direkt vor der Kellertür. Er stand da wie ein Türsteher vor dem Eingang zu einer zwielichtigen Spelunke, nur, dass er fröhlicher aussah und unser Keller nichts Spelunkenhaftes hat. Ich schrie auf – nicht wissend, ob ich mich am Besuch des Unbekannten erschrak oder daran, dass meine Mutter einen Stock tiefer womöglich Coronapartys ausrichtet. Noch während meines Aufschreis korrigierte ich den Orangensaft ganz nachtclub-like zum Wodka-Orange. Bei näherem Hinsehen deutete das wässrige Orange tatsächlich auf das Getränk 18+ hin. Mit dem Schall ließ auch das Entsetzen nach: Es war kein Unbekannter, der mich so befremdlich lächelnd mit seinem Wodkabecher begrüßt hatte. Es war Dominic Thiem. Aus Pappe.

Den Papp-Thiem hatte der neue Bankberater meiner Mutter vorbeigebracht. Mamas Bankberater tun nämlich immer alles für sie: Schnee vom Dach schöpfen, Einfahrt freiräumen, nach dem Rechten sehen. Und das ist jetzt nicht, was ihr denkt. Sonst hätte sie ja wohl kaum einen Pappgefährten bekommen. Wobei: die handwerklichen Gefallen werden meiner Mutter meist angeboten. Beim Papp-Thiem wurde sie erstmals selbst zur Bittstellerin.

Dabei hat meine Mutter gar nix mit Tennis am Hut. Bis er in ihrem Vorzimmer stand, war der Thiem für sie bloß ein nett aussehender Bursche von Nebenan. Sie sah ihn neulich in ihrer Bank, für die er sich zu Werbezwecken verpappen ließ. Andächtig scharwenzelte sie um den vermeintlichen Max Mustermann herum, und fand die Idee der Pappgesellschaft originell. Da sie sowieso nicht gekommen war, um über Geld zu sprechen – da pressiert es den Bankberatern immer mehr als ihr – wollte sie der Bank eine Figur abluchsen. Natürlich wurde ihr ein Aufsteller zugesichert – sobald er ausrangiert würde. Schon wenige Tage später stand der Bankberater mit einem originalverpacktem Thiem vor der Tür. Im Keller der Filiale hatte sich doch noch ein Exemplar gefunden. Nun lernte auch meine Mutter, was für Prominenz sie sich da ins Haus geholt hatte.

Natürlich würde auch ich der Bank mein pappgewordenes Antlitz als Testimonial anbieten. Hätte nur leider etwas weniger Marketingpotenzial. Auch ich gehe nämlich gerne in die Bank, um mich mit anderen Dingen als mit meinen Finanzen auseinanderzusetzen. Gerade zu Coronazeiten ist sie dem Kaffeehaus ja um einiges voraus. Die Mini-Mannerschnitten ein weiterer Pluspunkt. Die gibt’s nicht mal in jedem Café. Ich vergesse wissentlich, dass das in der Depotgebühr wohl drin sein wird.Dass mein Bankberater bei unserer ersten Begegnung eine viertel Stunde damit zubrachte, mir aus meinem Wintermantel zu helfen, war so allerdings nicht geplant. Reißverschlusse sind aber auch …

Der Unwahrscheinlichkeit zum Trotz hab ich mich schonmal mit dem Papp-Thiem ablichten lassen. Vielleicht könnten wir ja heiraten. Dann wären wir Thiem-Bliem. Und auch der Wert meiner Pappe wäre gesteigert.

© Dorothee Bliem 2021-04-27

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