Wie eine Schneefräse zum Denkmal wurde

Heinz-Dieter Brandt

von Heinz-Dieter Brandt

Story

Ein Sieg ist für Sieger wie Besiegte oft eine Erlösung. Der Sieger erscheint als Held in den Geschichtsbüchern: Da die vergänglich sind, braucht es Denkmäler und „Gedenk”friedhöfe zur Erinnerung.

Besonders bei sowjetischen Ehrenmälern sollen Trauerpathos und heroische Gesten die Gemüter bewegen. Diese Mahnmale gehören zu Deutschland – erzählen sie doch auch deutsche Geschichte. Die Bundesrepublik hat durch Selbstverpflichtung deren Pflege bewusst übernommen.

Wer bis zur Wende Berlin über die Autobahn anfuhr, rauschte kurz vor Dreilinden an einem alten Panzer T 34 vorbei:

Im Mai 1945 versuchten 5 bis 8 Panzer nahe der Potsdamer Chaussee nach Norden durchzubrechen. Einer dieser Panzer wurde im Oktober 1945 als Panzerdenkmal über der Grabstätte für dort angeblich gefallene Soldaten errichtet. Da dieses sowjetische Denkmal im amerikanischen Sektor ständig Beschädigungen ausgesetzt war, wurde es von US-Militärs bewacht. Für die Sowjets war es wichtiger, das größere Ehrenmal im Tiergarten, im britischer Sektor, zu bewachen

Die Amerikaner umzäunten „ihr“ Monument zur Absicherung mit einem Metallkäfig. Es blieb dennoch für sie ein Ärgernis. Sie wollten schließlich dessen Verlegung in die sowjetische Zone. “Wegen der Gefallenen darunter” stimmten die sowjetischen Behörden zunächst nicht zu, lenkten im Zuge der Erneuerung des Checkpoints Bravo (Dreilinden, sowjetischen Sektor) ein und setzten dort einen Panzer vom Typ T-34 auf den Sockel, weil kein ursprünglicher IS-2 mehr verfügbar war.

1969 musste das Denkmal erneut für die neue Autobahnführung durch die Berliner Mauer versetzt werden. Die Kanone des T-34 richtete sich nun „stolz“ provozierend und bedrohlich auf West-Berlin.

Nach dem Fall der Mauer wurden Panzer und Sockel beschmiert, das Panzerrohr nach hinten gedreht und zeigte wegen der Schräglage des Sockels nach unten. Eine Kränkung für das russische Militär – „wie das prachtvolle Ding so schlaff da hing“. Schließlich nahmen die Sowjets den Panzer bei ihrem Abzug mit – nun bedeutungslos, verwaiste der Sockel.

An der Autobahnabfahrt Drewitz rostete seit langem eine ausrangierte Schneefräse. Der Aktionskünstler Haisch sah in dem Technikschrott eine „bizarre Form, die in gleicher Weise ein Hingucker war wie der Panzer“ – nur weniger aggressiv. Er „klaute“ die Fräse (nannte es ‚künstlerischen Mundraub‘) und setzte sie – pinkfarben angestrichen – auf den Panzersockel. Niemand störte das Verschwinden der Fräse, niemand hinderte Haisch, das „Ding“ zu installieren. Schließlich hatte er sich mit Papieren zum eventuellen Vorzeigen ausgestattet: Einem russischen Text mit Pseudostempeln – der Text war eine Abhandlung über Bienenzucht.

Märkische Denkmalpfleger sahen in der rosa Schneefräse eine Anknüpfung an „international bedeutende Aktionen ähnlicher Art“ wie die rosa Bemalung eines sowjetischen Panzers auf dem Prager Wenzelsplatz.

Sie stellten das Ensemble unter Denkmalschutz.

© Heinz-Dieter Brandt 2021-03-26

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