Wie geht es dir?

Dieser Satz, diese Frage. So beiläufig. Und so voller Gehalt. Wenn die Frage von der richtigen Person zur richtigen Zeit gestellt wird, kann sie eine Lawine auslösen.

Wenn du das Interesse fühlst, das hinter diesen vier Worten stecken kann, dann berührt es dich. Ihr stellt Kontakt her. Jemand interessiert sich für dich. Jemand, bei dem du nicht damit gerechnet hast.

Du wirst dabei seelisch umarmt. Sie taucht in dich ein. Und fordert dich. Sprich. Wie geht es dir? Und du kannst nicht anders. Du musst auspacken. Du beginnst zu erzählen.

Und kannst nicht aufhören. Und spürst, wie da jemand genau das von dir hören will. Alles. Und du spürst den Klos im Hals. Dass da was hoch rutscht. Von dem du nicht wusstest, das es da war.

Es war irgendwo verschüttet. Du hast es gar nicht mehr wahrgenommen. Das warst du. Du selbst. Du konntest dich nicht mehr wahrnehmen. Du warst nicht in dir. Sondern neben dir. Außer dir. Nichts. Du warst nichts.

Du kannst niemandem die Schuld dafür geben. Es war dein Weg. Du hast den Wegweiser gelesen und alles war klar. Bis dir nach Jahren auf dem Pfad schlagartig klar wurde: Ich konnte ja noch gar nicht lesen.

Und dann setzt du dich erst mal hin. Zurück geht nicht mehr. Du schaust nach vorne in den Nebel. Und weißt, dass du noch ein paar Jahre weitergehen musst.

Du sammelst ein paar Leute unterwegs ein. Verlierst wieder welche, wirst bestohlen, sammelst Nahrung, triffst gute Leute, die Klamotten werden löchrig. Dein Gesicht wird ernster. Und dein Rücken breiter. Die Arme stärker. Ein paar Falten.

Den Rucksack spürst du schon lange nicht mehr. Auch nicht das unnötige Gewicht.

Nach ein paar Jahren machst du erneut eine Pause. Der Nebel hat sich gelichtet. Du siehst das Meer am Horizont. Du stellst den Rucksack neben dir ab. Das Scheissding kippt um und die ganzen Steine kullern heraus.

Du traust deinen Augen nicht. Erleichterung, Verwunderung, Wut. Und dann spürst du die Kraft. Wie sie in deine Arme donnert. Die Adern quillen hervor. Du saugst die Luft ein und machst einen tiefen Atemzug.

Du schaust neben dich. Und da sitzt sie und fragt dich:

Wie geht es dir?