Wegen einer Renovierung mussten wir eine komplette Küche, zwar alt, aber gut in Schuss und mit funktionierenden Geräten, loswerden. Da wir ungern noch brauchbare Dinge wegwerfen, beschloss ich die Küche über “Willhaben” zu verschenken. Nur gesamt, mit allen Geräten, aber mit Selbstdemontage und -abtransport.
Nach kaum einer Minute kam der erste Anruf aus Ungarn. Text: “Ich holen Kiche morgen. Kannstu gleich wegschmeißen Annonce. Ich sicher kommen frih.” Ich schickte ihm die Adresse per SMS. Das war das letzte, das ich vom Sohn der pannonischen Steppe hörte. Da ich aber aufgrund früherer Erfahrungen die Annonce nicht gleich “wegschmiss”, hatte ich in der Zwischenzeit dutzende weitere Anrufe, mein WhatsApp brummte ständig, mein E-Mail-Postfach zeigte 12 Nachrichten in einer Stunde.
Um die Seriosität der Interessenten ein wenig filtern zu können, vermerkte ich in der Annonce, dass ich nur Meldungen per Anruf wünschte. WhatsApp brummte trotzdem weiter, mein E-Mail-Postfach litt weiter an Überfüllung.
Die Leute fragten, ob sie nur einen Teil der Küche haben könnten oder nur die Geräte oder ob ich ihnen die Küche nicht doch ins Haus liefern könnte. Waren das lauter Analphabeten?
Dann schien eine Anruferin wirklich interessiert zu sein und ich vereinbarte mit ihr für den nächsten Tag, dass sie Möbelpacker schicken und selbst später nachkommen würde. Die Möbelpacker erschienen zu meiner Überraschung wirklich pünktlich und machten sich sogleich ans Werk. Es soll ja vorkommen, dass Dinge klappen.
Die beiden jungen Männer begannen die Laden herauszuziehen und aufzustapeln. Dann hatte der “Chef” der beiden, ein übrigens sehr fescher Mensch, die Idee, man müsste die Schranktüren nummerieren, was an sich nicht schlecht ist. Er schickte seinen weniger feschen Kollegen um einen Stift zum Auto und entspannte sich inzwischen mit seinem SmartPhone. Der Kollege kam schon nach 20 Minuten mit einem dunkelblauen Filzstift zurück und beschriftete einige Türen. Dann schauten sie sich die Schränke von innen an, überlegten bezüglich des Gewichts der Geräte und begannen dann die ganze Küche von allen Seiten zu fotografieren. Zu “Dokumentationszwecken”, wie sie mir erklärten.
Als dann die Interessentin erschien, teilte der Fesche uns mit, sie hätten nicht das nötige Werkzeug zur Demontage und würden dann in etwa drei Stunden wiederkommen. Wollten sie das Werkzeug aus Linz holen? Dass das zierliche Werkzeugköfferchen vom Typus “Der kleine Bastler” nicht ganz reichen würde, hatte ich mir ohnehin gleich gedacht. Meine Diagnose war, dass die beiden sahen, dass die Aktion in echte Arbeit auszuarten drohte, und darauf waren sie irgendwie nicht eingestellt.
Die Interessentin ging auch, bald darauf kam der Anruf, sie könne die Küche leider doch nicht nehmen.
Mein WhatsApp brummte also weiter, das E-Mail-Fach quoll weiter über, aber ich nahm nur telefonische Meldungen entgegen, sonst hätte ich Büropersonal einstellen müssen.
© 2021-12-16