von Katharina Lüdtke
Da saß ich nun zusammengekauert wie ein Häufchen Elend auf dem Stuhl und zweifelte an meinem Verstand. Seufzend stand ich wieder auf. Irgendetwas musste ich tun, mich irgendwie ablenken. Meine Verzweiflung schien langsam aber sicher in Wut umzuschlagen. Wut über diesen Ort, meine missliche Lage und die dämliche Neonröhre, die mir mit ihrem Flackern den letzten Nerv raubte. Und dann war er gekommen, dieser Moment, an dem bei mir scheinbar eine Sicherung durchbrannte. Schnurstracks stapfte ich auf den „sprechenden Haufen“ zu und begann mit Gegenständen um mich zu werfen. Zuerst eine der Schallplatten, die ich wie eine Diskus-Scheibe in Richtung der Neonröhre schleuderte, die ihr Ziel jedoch verfehlte und irgendwo in der Ferne zerschellte. Dann musste der Bierkrug dran glauben. Und schließlich war der Blechtopf an der Reihe. Ich zerrte an den Henkeln und stellte überrascht fest, dass das Ding wohl deutlich schwerer war als man es von einem solchen Topf vermuten würde. Aber das war mir in diesem Moment egal. In einem zweiten Versuch riss ich den Topf in die Höhe und begann mich wie ein Hammerwerfer um die eigene Achse zu drehen. Eine Umdrehung, zwei Umdrehungen, eine dritte, bis ich mein Ziel ins Visier nahm und schließlich …
„Hey, was machst du denn da? Mir wird ja ganz übel! Lass das!“, hallte es blechern aus dem Topf.
Ich ließ den Topf vor Schreck im völlig falschen Moment los, woraufhin dieser scheppernd in genau dem Schrottberg landete, aus dem ich ihn eben erst gefischt hatte.
„Ha-Hallo, ist da wer?“, stammelte ich völlig verdattert.
Der Topfdeckel hob sich langsam, und zwei sichtlich benommene reptilienartige Augen versuchten mich zu fokussieren. Mit offenstehendem Mund beobachtete ich, wie etwas aus dem Topf kroch und dann polternd den Müllberg herunter purzelte. Das Wesen besaß zwar keine schuppenartige Haut, sondern ein wuscheliges Fell, doch der lange Hals, die winzigen Flügelchen und der kräftige Schweif machten es mir unmöglich nicht zu dem Schluss zu kommen, dass es sich um einen waschechten Drachen handelte.
Das Reptil setzte sich stöhnend auf und torkelte mit kreisendem Kopf auf mich zu, bevor es mit wackeligen Füßen vor mir zum Stehen kam.
„Entschuldigung, ähm, tut mir wirklich leid, möchtest du wieder zurück in deinen Topf?“, sprudelte es aus mir heraus, als ich realisierte, was ich dem armen Kerl gerade angetan hatte.
Mit vorwurfsvollem Blick musterte mich das Tier. „Damit du mich wieder wie einen Turnbeutel durch die Luft schleudern kannst?“, schnaubte es, wobei kleine Rauchwolken aus der Nase aufstiegen, „Nein Danke. Von Töpfen habe ich fürs Erste genug.“
Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Doch keine Scham der Welt konnte mir das Gefühl der Erleichterung verderben, das ich verspürte. Denn ich war nicht mehr alleine!
© Katharina Lüdtke 2024-09-04