von Josef Sonnweber
Das fragte mich Onkel Friedrich, als ich mich bei ihm im Ötztal zum „Goaß-hüten“ vorstellte. Ein sauberer Empfang, dachte ich mir und komisch, dass allen mein Lebendgewicht so wichtig erschien. Als ich darauf antwortete:“ A bissl über 28 Kilo“, machte Tante Hanni der ganzen Fragerei ein Ende und sagte:“ Da schauen wir schon noch, dass ein paar Kilo dazukommen!“ Ich kam mir vor wie Hansl im Märchen „Hänsel und Gretel“, wo die Hexe auch jeden Tag vorbei-schaute, ob er nicht bald fetter geworden wäre. Und dann erst die Hüterei! Das war schon eine gewaltige Umstellung für mich. Eine neue Gegend, neue Leute und erst die Sprache, wo ich bei jeder Frage zurückfragte:“ Ha bitte?“56 Stück von diesen „Luederviehchern“ wurden mir anvertraut. Jedes Jahr traf es einen anderen Bauern, einen „Goaßhirten“ einzu-stellen, welcher dann einen Sommer lang die Ziegen der acht Bauern zu hüten hatte. Ich musste sozusagen mit dem „Löffel“ gehen, das heißt, jeder Bauer hatte mich so oft zu verpflegen, wie viele Ziegen dieser hatte. Natürlich hatte ich auch zum Frühstück pünktlich zu sein und Instruktionen ausfassen, wo ich die Ziegen aufzutreiben hatte. Die ersten Tage war mir ein Nachbarbub behilflich, die Wege zu den guten Plätzen zu finden und der Förster war mir auch „auf dem Gnack“, dass ich die Ziegen ja nicht in den Pflanzgarten lasse, sonst schneide er mir die Ohren ab! Nachdem ich ja noch keine Uhr hatte, richtete ich mich zum Heim-kehren mit den Ziegen immer nach dem Fünferbus der Post, welcher beim Söldener Tunnel sein „Tatüütataa“ hören ließ. Die Ziegen hielten mich auf Trab, lediglich zur Mittagszeit legten sie sich zum „Grameilen“ (Wiederkauen) nieder. Meiner Lieblingsgoaß, dem „Kugele“ spendierte ich meistens meinen „Schmarrenrest“, dafür bediente ich mich an ihrem Euter für ein paar Schluck Milch. Dem Aussehen entsprechend hatten die Ziegen auch ihre Namen. Das Kugele, das Herzle, die Einhorn, die Schiache, die Halbweiße usw. Einmal fehlten mir 5 Ziegen. Es gelang mir einfach nicht, sie in Zweierreihen gehen zu lassen, deshalb hatte ich immer Schwierigkeiten mit dem Abzählen. Die Tante tröstete mich und sagte:“ Die kommen schon wieder zur Herde, weil die treibt die Milch heim!“ Und so war es auch, am nächsten Tag waren wir wieder komplett. Es gab gelegentlich auch schönere Zeiten. Zur Mittagsrast legte ich mich auch zu den Ziegen, las ein Buch oder stopfte an den mitgegebenen Socken die Löcher. Ein mitgebrachter Erdäpfel wurde in das Innere des Sockens gegeben und über den Ausbuchtungen die Löcher gestopft. Mein Vater war ja Schneider und von ihm habe ich das Knöpfe annähen und von der Mutter das Sockenstopfen gelernt. Was habe ich da gebetet und geflucht, wenn ich wieder einmal Nadel und Garn nicht mehr fand oder mir der Rucksack mit Inhalt über die Schrofen hinunterkugelte. Im Herbst war dann Zahltag. Für’s Hüten bekam ich eine Lodenhose und ein paar neue Schuhe. Ich fühlte mich wie ein König mit dem ersten selbstverdienten „Zuig“!
© Josef Sonnweber 2020-10-05