Wie tief geht dieser Grund?

FJODOR

von FJODOR

Story

Was kann ich machen, um mich selbst zu erheben aus den staubigen Kammern meiner Angst und Faulheit? Meine Feigheit hängt mir am meisten nach wie eine Fahne und flattert und lässt schon kilometerweit gegen den Wind ahnen, dass ich feige bin. Ich habe so viel getan nur um am Ende zu viel gegeben zu haben für andere und wie ich jetzt sehe zu wenig für mich.
Den Egoismus in mir habe ich in eine Kapsel gepackt und mitten auf dem Meer über Bord geworfen. Ich habe die Sekunden gezählt und mir vorgestellt wie tief sie bereits gesunken ist.
Was ich nicht wusste war, dass mein Meer bodenlos ist.
Lässt du einmal etwas los, kommt es meistens nicht wieder.
Ich dachte, es wär richtig so; ich dachte, ich täte damit jedem einen gefallen aber alles, was ich tat, war mich selbst zu belügen.
Ich lebte viele Tage und schlief viele Nächte, bis ich eines Morgens aufwachte und verstand, egal wie tief die Kapsel, mit was immer darin versiegelt ist, sinkt, sie bleibt für immer in meinem Meer, sogar am Boden aller Bodenlosigkeit.
Noch dazu zerquetscht dieser unvorstellbare Druck jede noch so perfekte und massive Kapsel und reißt sie in Stücke, sodass der Inhalt letzten Endes doch immer wieder nach oben treibt und wie ne Boje schwappt.
Ich dachte ich handel selbstlos und edel, doch selbst darin steckte mein Egoismus so tief versteckt, wie ich ihn versenkte.
Ich log mich und jeden um mich an unnd damit wusste ich die, die ich brauchte und wollte, anzuziehen und ich zog sie an.
Meine Wortgewandtheit und mein Gefühl für die Bedürfnisse anderer, die Fähigkeit sie zu riechen bescherte mir viel an allem, was meine eigenen Bedürfnisse aus mir schrien.
Ich fühle mich schuldig und beschämt um meine Absichten und wie ich meine Fähigkeiten lernte anzuwenden.
Gar nicht falsch oder unmoralisch, einfach unehrlich, sowohl mir als auch anderen gegenüber.
Und was jetzt?
Jetzt sehe ich was ich getan habe.
Ich sehe, wer alles mitgespielt hat und nicht anders war als ich.
Ich sehe wie es sich trotz anwesendem Verstand weiter fortsetzt.
Ich fühle wie ich etwas ändern will, aber nicht bereit dazu bin.
Ich fühle mich schwach und machtlos mir selbst gegenüber.
Und wie alt ich auch werde, es verhält sich immer gleich; ich lerne und werde weiser und decke auf meine Lüge und sage mir selbst die Wahrheit.
Ich gehe raus aus der Situation mit einem Gefühl der Freiheit und Erleichterung und lebe gut für einen Moment, bis mich erneut eine Angst überkommt, ohne sich selbst anzusagen.
Ich stürze mich in eine Lüge hinein, nur um auch diese zu Leben und etwas über Bord zu werfen und irgendwann mal aufzudecken was am Horizont schwimmt und zu mir gehört
Es klingt falsch aber so weiß ich, ich gehe den richtigen Weg, weil es keinen falschen gibt.
Solange ich lebe mit all meinen Fehlern und Macken und meinen Qualitäten, findet sich immer ein Weg, weil mir ein Wille innewohnt und ein Respekt gegenüber meinen Nächsten und meinem eigenen Sein.
Lediglich ehrlich und geduldig zu werden, wünsche ich mir von mir selbst.

© Alexey Kosin 2023-10-06

Genres
Anthologien