Wieder Schifahren

M_S_Haurowitz

von M_S_Haurowitz

Story

12 Jahre war ich nicht mehr auf Brettern gestanden. 12 Winter, in denen es immer eine Ausrede gab- doch jetzt nicht mehr. Meine Sehnsucht wurde zu groß. Ich war davon überzeugt, es gar nicht mehr zu können, und sowieso viel zu wenig fit zu sein. Ich dachte mir: wenn du einmal heil den Hang runterkommst, dann kannst du den Tag schon einen Erfolg nennen. Nina und ich fuhren nach St. Jakob in der Oststeiermark- dort gibt es 2 Schlepplifte, und von der Steilheit der Pisten her kann man behaupten, dass diese nicht über- aber auch nicht unterfordernd ist. Wir beide liehen uns passende Geräte und Schuhe aus, und danach stand dem Comeback nach 12 Jahren nichts mehr im Wege: es lief überraschend gut, ich hatte nicht mal Muskelschmerzen und war rasch wieder top im Schwung. Ich genoss es in vollen Zügen und kannte kein Halten mehr- ohne Pause, immer wieder auf und ab. Die Bergluft dabei berauschte mich. Zwischenzeitlich hatte ich es bereut, nicht schon in aller Früh zum Lift gefahren zu sein- aber für so ein Comeback war eine Nachmittagskarte absolut ok. Nina nahm sich in der Zwischenzeit eine Schilehrerstunde, war sie doch bislang in ihrem ganzen Leben nur ein paar Mal auf Schi gestanden. Jedes Mal, wenn ich bei ihr vorbeifuhr, sah ich auch, dass sie bereits Fortschritte machte. Und sie war davon begeistert, meine wiedergewonnene Leidenschaft für das Schifahren zu erkennen- sie meinte sogar, das wäre so, als wenn man den Löwen, den man normalerweise nur in Schönbrunn im Käfig sieht, auf einmal in Afrika bewundern kann- in seiner ursprünglichen Umgebung, in der er sich blind auskennt.

Als wir dann noch ca. 30 min. bis zur Schließung des Liftes hatten, geschah, worauf ich nicht vorbereitet war: ich fuhr einen verwegen schnellen Rechtsschwung über eine Eisplatte, stürzte nach vorne, und rutschte im Steilstück ca. 50 m abwärts, mein rechter Schi löste sich recht schnell. Zunächst war ich sehr froh darüber, dass mir nichts wehtat- ich stand auf und stapfte erst einmal fluchend den Hang zurück hinauf, um meinen Schi zu holen. Mein innerer Dialog zu diesem Zeitpunkt war nicht freundlich. Es dominierten die Gedanken darüber, dass es ohnehin eine blöde Idee war, hier herzukommen und dass jetzt endgültig Schluss ist mit meiner Schikarriere. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass ich jetzt einfach meine Schi zurückgebe und es das nun für immer war. Doch danach meldete sich eine Stimme in mir: wenn du das jetzt tust, dann hörst du mit einem Negativerlebnis auf, und kommst tatsächlich nie mehr – und dann war all das positiv erlebte an diesem Tag für nichts. Und tatsächlich behielt diese Stimme in mir die Oberhand- ich fuhr, wieder voll ausgerüstet, noch einmal ganz runter zum Lift- dann nochmal rauf, und nochmal runter- und brachte damit den Tag zu einem positiven Ende. Somit war sichergestellt, dass ich nun eine zu 100 Prozent positive Erinnerung an diesen wunderbaren Tag im Februar 2020 habe und mich nichts davon abhält, es wieder zu probieren.

© M_S_Haurowitz 2020-12-08