Wiegenfest mit Hindernissen

Annemarie Baumgarten

von Annemarie Baumgarten

Story
Lößnitz 1994

Zu ihrem runden Geburtstag im Herbst 1994 habe ich Frau Bartl besucht. Zwischen Kaffeetrinken und Abendbrot sollte es zu einer kurzen Vorstandssitzung kommen. Das wäre mir zu spät geworden. Wieder eine der kaum durchführbaren Schnapsideen von Frau S.! Übernachten konnte ich beim besten Willen nicht, da schon einige weiter angereiste Gäste einquartiert waren. In Hartenstein war Umleitung. Ich fuhr diese mehrmals, sie führte über Zschocken, kam aber nicht in Lößnitz an. Es wurde langsam finster. Ich war noch nicht da, obwohl ich von der Arbeit aus nach 14 oder 15 Uhr startete. Umkehren ging schlecht, ich hatte Blumen mit. Schließlich bin ich in die gesperrte Straße gefahren, kam durch. Eingeengte Fahrbahn, ringsum lag Straßenaufbruch. Ich fragte Anwohner, ob ich auch nach Lößnitz komme, was bejaht wurde. Nach der Feier fand ich in der Finsternis die Straße nicht wieder. Herr Bartl beschrieb den Weg, aber so gut kannte ich mich nicht aus. Ich war vordem höchstens einmal dort. Da gab es die Umleitung noch nicht. Ich war Richtung Stollberg gefahren, mit der Angst, hoffentlich gerätst du nicht auf die Autobahn, dafür reichten meine Fahrkenntnisse noch nicht, dann Richtung Zwönitz, Alberoda, über stockfinstere Straßen Richtung Schwarzenberg. Dann war ich wieder an der Kreuzung zum Neubaugebiet Lößnitz. Wahrscheinlich gab es aus Richtung Lößnitz das Schild „Umleitung“ nach Aue gar nicht. Ich bin einem Fahrschulauto hinterhergefahren, kam übers Stadion in die Stadt. Die Ortsdurchfahrt über die Bahnhofsbrücke war gesperrt. Die Brücke wurde gebaut. Auf der Straße von Schneeberg nach Zwickau war es an manchen Stellen auch stockdunkel. Ich sah kaum die Straßenbegrenzung, es geht steile Abhänge hinunter. Ob in Steinpleis auch gerade eine Brücke gebaut wurde, weiß ich nicht mehr. In Zwickau hatte ich mich in der längst hereingebrochenen Nacht erneut verfahren. Nach 20 Uhr war ich zu Hause. Ich hatte versprochen, gleich anzurufen. Man hatte schon mehrfach versucht, mich zu erreichen. Ich war längst überfällig. Bei Ankunft in Lößnitz wollte ich eigentlich schon auf dem Rückweg sein. Auch Vati hatte schon mehrmals versucht, mich ans Telefon zu bekommen. Am nächsten Morgen hatte ich pünktlich im Büro zu erscheinen.

Das ständige Verfahren hing mit geringen Ortskenntnissen zusammen. Wir waren seit meiner Kindheit über viele Jahre zu Fuß oder mit dem ÖPNV unterwegs. Ich hatte das erste Auto nur ein reichliches Jahr – August 1994 bis August 1995. In der Woche war ich froh, den Arbeitsweg heil hinter mich zu bringen, Sammeln von Fahrpraxis war da nicht groß möglich. Im Stau, der oft herrscht, zu fahren, macht keinen Spaß. Zum Üben – ausgeschlafen und ohne Zeitdruck – blieb nur das Wochenende von Freitagmittag bis Sonntagabend. Ich hatte viel zu erkunden. Zunächst musste ich lernen das Auto sicher zu beherrschen. Die erste Zeit würgte ich an Kreuzungen häufig den Motor ab. Anfängerschwierigkeiten müssen halt überwunden werden. Beim Schreiben dieser Zeilen im Jahre 2024 erinnere ich mich an eine längere Fahrt vor wenigen Wochen über eine mir völlig unbekannte Strecke mit mehreren Umleitungen und engen, kurvenreichen Straßen zu meinem neuen Freund. Die Rückfahrt im Regen war ebenso chaotisch!

© Annemarie Baumgarten 2024-07-18

Genres
Biografien
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd