von Martina Huemer
Ich freute mich schon so sehr auf das Konzert von Martin Grubinger, dem Percussive Planet-Ensemble und der Bläserphilharmonie Mozarteum Salzburg. Ursprünglich hätte das Konzert am 18. April 2020 stattfinden sollen. Aufgrund des lock-downs im Frühjahr wurde es auf 02.11.2020 verschoben. Auch dieser Termin wackelte. Umso größer war dann die Freude: Die beiden Konzerte würden noch stattfinden und den 2. Lock-down – wenige Stunden später – eintrommeln.
Ich war um 18.00 Uhr im Konzert-Saal. Es waren unglaublich schöne 1,5 Stunden voller Musik. Ich liebe es, die Klänge mit meinem ganzen Körper wahrzunehmen: Der Musik zu lauschen, die Musiker zu sehen und mich an der Genialität mit dem ganzen Herzen zu erfreuen.
Während der Umbau-Arbeiten zum 2. Konzert traf ich einige Ensemble-Mitglieder. Martin machte mir den Vorschlag, am 2. Konzert um 20.30 Uhr nochmals teilzunehmen. Ich wägte kurz ab, der Vorschlag war zu verlockend. Ich entschied mich dann aber, den Abend noch für mich allein ausklingen zu lassen.
Ich verließ das Konzerthaus und ging in Richtung Karlskirche. Es war sehr still und immer noch sehr warm. Die Kirchenuhr schlug 20 Uhr. Ich überlegte, ob ich noch einmal zum Stephansplatz laufen sollte, um direkt im Herzen der Stadt – für längere Zeit -Abschied von Wien zu nehmen. Ich mochte das Rascheln des Laubes – während ich über den Karlsplatz ging.
Plötzlich durchdrangen laute Folgetonhörner der Polizei die abendliche Stille der Stadt: Mehrere Einsatzfahrzeuge der Polizei durchquerten den Karlsplatz, ich musste schnell ausweichen. Von mehreren Seiten fuhren Polizei-Autos in Richtung Innere Stadt.
Ich entschied mich, mit dem Zug um 21 Uhr nach Hause zu fahren. Die Klänge vom Konzert begleiteten mich, besonders die Musik von John Williams. Noch war alles sehr normal, die U1 kam und ich fuhr zum Hauptbahnhof.
Um 20:20 Uhr postete Florian Klenk, dass er von seiner Falter-Redaktion aus Schüsse in der Nähe der Synagoge vernahm. Ich ahnte, dass etwas Schlimmes passiert ist.
Martin Grubinger trat um 20.30 Uhr nochmals auf. Am Ende gab er einige Zugaben – bevor er dem Publikum mitteilen musste, dass sie aufgrund eines Attentats das Gebäude nicht verlassen dürften. Erst nach Mitternacht wurden die 1000 Besucher unter dem Schutz der Sondereinheit Wega zur U-Bahn begleitet.
Wir werden uns an den Abend des 2.11.20 noch sehr lange erinnern. Der Anschlag erschüttert uns in unseren Grundfesten. Vielleicht war es ein falsches Gefühl von Sicherheit. Terror würde zwar weltweit stattfinden – aber nicht in unserer geliebten Bundeshauptstadt Wien.
Wir trauern gemeinsam und stehen zusammen. Ich fühle mich mehr denn je mit Wien verbunden. Wien ist und bleibt die lebenswerteste Stadt der Welt, voller Geschichte, voller Vielfalt und Musik.Und im Frühjahr 2021 werden wir wieder zusammenkommen, um das Leben zu feiern, die Musik, Kunst und Kultur live zu genießen. Wir werden uns wieder begegnen und uns als Menschen verbunden fühlen.
© Martina Huemer 2020-11-08