WIEN, DIE UNFREUNDLICHSTE STADT DER WELT?

Margaretha Husek

von Margaretha Husek

Story

„Mir missfällt, wie schlecht gelaunt und unfreundlich alle hier sind“, klagten die Expats, die für große Firmen oder internationale Organisationen für ein paar Jahre bei uns sind. Expats beschrieben die Menschen in Wien ganz allgemein als unfreundlich und gegenüber der ausländischen Bevölkerung nochmals als besonders ablehnend. Schwer, sich mit den Wienerinnen und Wienern anzufreunden, sie fühlten sich nicht willkommen. Ja, wo treibt sich so ein Expat herum? In dem kartenspielenden Beisl? In der rauchgeschwängerten Luft von Biergärten? Bei den durstigen Wienern beim Heurigen? Bei den überlaufenen Punschständen und Tschocherln?

Was erwarten die Expats sich eigentlich? Wien ist der Restbestand der Monarchie. Dass alle hier herum säuseln wie im Sissy-Film? Vielleicht hätten das manche gern, Kitsch und Schmalz, und wenn hier ganz normale Menschen leben wie überall, manche mehr und manche weniger freundlich, ist man dann enttäuscht.

Wien ist eine großartige, hervorragende Stadt, in der neben Nörglern und Suderanten auch viele sympathische, hilfsbereite und freundliche Menschen leben. Dass Letztere mehr werden, liegt an jeder und jedem.

Wie nennt man die, die sich eigentlich wohlfühlen, dort, wo sie sind? Nicht die Anywheres, die überall jetsetten auch nicht die Somewheres, die ständig davon träumen, aus ihrer Enge herauszuwollen, weil es so oasch ist, wie und wo man lebt. Die Menschen, die Heimat im positiven Sinn gefunden haben, sind glücklich, wo sie sind und sind meiner Erfahrung nach auch bereit, dieses Glücksgefühl mit anderen, vielleicht auch fremden Menschen zu teilen.

In Wien – ich nehme an, auch in Österreich gesamt – gibt es eine selektive Freundlichkeit zu Fremdsprachigen. Wird in einer slawischen Sprache gesprochen, sind die Sitznachbarn nicht besonders erfreut. Ähnlich wahrscheinlich bei türkisch und arabisch. Wird nach einem Anruf am Handy dann Französisch oder Englisch gesprochen, sieht man wie sich die Mienen der Sitznachbarn aufhellen.

Die Wiener, das können sie, sie pfeifen sich nichts und legen keinen Wert auf scheinheilige Schleimerei. Das gefällt mir sehr an ihnen. Ich liebe Wien, seinen Grant und Sarkasmus. Ich gehe freundlich hier in Wien durchs Leben wie viele andere auch. Die Stadt hat einige nette Ecken, Plätze und Grätzln. Ich mag die Wienerinnen und Wiener, die ich kenne und finde der hiesige Humor der Wiener Alltagspoeten und das Zentralfriedhof-Marketing wiegen gelegentlichen Grant locker auf. Die Expats verstehen den Wiener Schmäh nicht, sie haben eine Viennaphobie.

„Wer den Wiener Grant ned aushoit, håt in Wean eh nix valuan“, konterte mein Nachbar. „Wissens scho, wer in unserer Wohnhausanlage gstorbm is?“, lenkte ich ihn auf ein anderes Thema.

„Na. Mia is jeder recht.“

Foto: Pixabay

© Margaretha Husek 2022-12-06

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