von MISERANDVS
Heut gönn ich mir was! Was Feines. Fremdgekochtes aus der Heimat, vom Schwaigerwirten. Steirer sind sie, und damit sind sie fähig, per se. “Serwas!”, tönt es freundlich, als ich eintrete. “Griaß eich!”, gebe ich zurück. Und alle wissen: Ich bin ein Freund. Mein Herz schlägt grün, drückt Kernöl durch die Adern mir und manchmal Nudelsuppe. Wir sprechen eine Sprache. Wir leben und lieben im Zeichen des Panthers.
Ich bestelle, was mich begehrt. Die Viertelstunde wart ich draußen. Ich bin 1G, sprich, bin gesund – sonst nix – und damit tödliche Gefahr fürs Volk. Der Kanzler hat’s gesagt. Er und der Liebe Gott haben immer recht!
Ich rauch mir eine an. Ein bisserl frisch ist es schon; der Herbst kommt angekrochen. Ich freu mich, weil der Herbst den Winter bringt. Der Sommer wird mir dennoch fehlen, wenn meine beiden heißen Öfen schlafengehen müssen, Charlotte und die schöne Wing, die noch immer keinen Namen hat. Wieso nur fällt mir kein Name ein für sie? Verdammich!
Ein Hupen reißt mich aus dem Denken. “Beweg dein‘ Oasch, du bleder Trutsch, sunst isser fort! I führ di nieder, fetter Spatz!” Wer dieses Wort-Soufflé poetisch wienernd von sich gibt, sitzt in dem Wagen vor mir, der nicht weiter kann, weil eine mit – man muss es sagen, wie es ist – einem Sitzfleisch von kaum je geseh’ner Dimension in einem and’ren Wagen hängt, die Türe offen, weswegen in der schmalen Gasse alles steht. “Heast, Hawara! Wo is mit dir? Wüst ane? I tauch dir ane an, du Koffer!” “Kumm her, Brunhilde, sping her do!”: ruft er, schlägt sich auf die Brust: “I reib di ein, Bassena-Gatschen. G’schissene, geh weida!” Ich stehe da, die Augen weit, und lache Tränen. Zwei Wiener Urgewalten, die einander liebwortig, wie es auf der ganzen Welt nur Wiener sind, beflegeln sich.
Und wer nun augenrollend, schamerrötet meint: “Wie schlimm! Wie garstig! Welch üble Worte!” Der kennt nur Wien nicht und die Sprache dieser Metropole, weiß nichts von Charme, kennt nicht den Wiener Schmäh. Denn das, was da gesprochen wird, ist ganz normal. Ist Ductus. Ist Kultur. So drückt man sich hier aus.
Die Tage noch von meiner lieben Leserin getadelt, weil meine Sprache in einer Story wild und bös‘ und zornig war, denk ich: “Heureka! Ich spreche endlich Wienerisch!”, und stutze, sage leise: “Pfui, Deibel! Wienerisch!” Das hochnasale, antiquierte, in sich vergrätsche Worte-Worten, das immer überheblich klingt und gar nicht freundlich ist. “G’nä Frau, sie schaun ja heut besonders aus!”, hört man und weiß, gemeint ist: “Geh‘ scheißen, oide Funsen!” Es liegt mir nicht. Ich kann’s nicht hören. Und selbst nach 22 Jahren ist es nicht in mir. Zum Glück! Doch wenn es sein muss, spreche ich es auch. Wenn ich im Zorn bin, wenn mein Herz im Vollbrand steht. Dann kann ich Wienern. Für eine Weile, bis der Zorn verflogen ist. Ich habe immer Sorge, eines Tages bleibt’s, ich krieg es nimmer weg. Und darum eine Bitte: Wenn mich wer hört, wie ich das „L“ nach Meidling-Art phoniere… Erschieß mich bitte! So soll kein Steirer enden müssen!
© MISERANDVS 2021-09-17