von Raimund Rolsberg
Als Wiener ist es das normalste der Welt, noch niemals und niemals nie in der Zukunft, eine Runde mit dem Riesenrad im Prater gedreht zu haben.So vertraut wie das Kipferl, ein Teil der Stadtschaft wie die Taube, so erhebt sich das Rad um sich in unzähligen Stunden der Jahrzehnte zu drehen. In eine Richtung, in einer Bahn.Geschichten rund um das Rad sind Stadtbekannt, um wiederholt zu werden. Beispielsweise wurde ein Ehepaar einst im Riesenrad vergessen. Sie betraten kurz vor Betriebsschluss den Waggon. Hoffentlich saßen sie nicht am Gipfel fest, und es war trotz Winter, nicht kalt und windig. Vielleicht beruhigte die Frau den Mann mit Geschichten und Witzen, während er an festen Boden unter Füßen und alle möglichen Panikszenarien nachdachte. Wie lange die (Er)Wartezeit dauerte, ist nicht überliefert. Wohl aber, dass die beiden als Entschädigung auf ein gutes Essen eingeladen wurden.Im Jahre 1897 eröffnet, mit einer Höhe von 64,75 (oder 64,74 Meter), einem Gesamtgewicht von 430,05 Tonnen wird der Fahrgast 15 Minuten mit einer Geschwindigkeit von 2,7 km/h um die Achse des Rades gedreht. Für einen leistbaren Preis von Euro 15,00 wagt man sich in das kleine Abenteuer. Poetischer könnte man dies als ein Sinnbild für eine Lebensfahrt sehen, man dreht sich im Kreise, kommt dort an, wo man gestartet hat, erreicht für kurze Momente eine Hochzeit, hofft, dass es keine Turbulenzen gibt, und die Lebensfahrt nicht durch einen Unfall oder andere garstige Ereignisse frühzeitig endet. Man sollte, muß aber nicht, die Lebensfahrt genießen, mit einem lächelnden kindlichen Staunen, die Aussicht auf sich wirken lassen, und einfach Sein. Bei Nacht gefällt das Riesenrad als feine Kulisse, ein oder zwei Aufnahmen machen sich als Erinnerung in jedem Album Platz.Ein Dinner im Riesenrad klingt verlockend, Köstlichkeiten zusammen in der Höhe zu genießen, während ein weiteres Glas Wein ausgeschenkt wird, hat bestimmt seinen Reiz. Für 90 Minuten verwandelt sich der Waggon in eine Oase der Romantik. Für seine Liebsten könnte man davor einiges über die zu sehende Aussicht sagen, wie „den weiten Himmel, die schönen Sterne, schau da vorne, in einem der beleuchtenden Häuser, da wohnt der Franz, schicken wir ihm ein ´Hallo? Nein, was dort drüben ist, das weiß ich nicht, ist ja auch egal, dort vorne, nein, das kennt niemand so genau. Dir ist schwindlig? Möchtest du noch einen Wein? Nein du brauchst keine Höhenangst haben, ich bin ja da. Was ich machen würde, wenn es technische Probleme gibt? Ach, frag doch nicht so etwas, es kann nichts passieren, wenn bis jetzt nie etwas passiert ist, was soll denn jemals passieren. Ich soll nicht so viel reden, sondern die Aussicht genießen, na gut, ein bißchen Musik gefällig? Wie wäre es mit „Eye in the sky“ oder doch den Wiener Walzer? Na gut, lassen wir die Melodie der Stille wirken. Ich soll nicht so geschwollen daherreden.
Na gut, dann schreibe ich halt das alles auf. Das liest eh keiner? Macht nichts, schreiben macht trotzdem Spaß. Nein, nein nicht jetzt, lass uns nun einfach genießen, das, was wir essen, was wir trinken, das, was wir um uns herum sehen, dass wir einigermaßen gesund sind, und nun einen Teil einer von vielen Geschichten sind, die das Riesenrad beinhaltet.
Es ist schön am Leben zu sein, um genießen zu dürfen, und hoch hinauszukommen, auch wenn es nicht für ewig so ist.“
© Raimund Rolsberg 2025-03-22