von Life@theCity
Neulich bei einem Glaserl Wein inmitten des Gastgartens eines Gasthauses im Wienerwald begegneten wir Franz. Franz war bis dato ein uns unbekannter, älterer Mann. Er nahm am Nebentisch Platz, bestellte sich ein >>Achterl Roten<< und sah wie wir über die grünen Hügel hinab auf die Stadt. Er prostete uns zu, sobald er sein Glaserl vor sich hatte. Wir prosteten zurück. Da begann er plötzlich ein altbekanntes Wienerlied anzustimmen. Eine willkommene Abwechslung, dachte ich, in jener doch gesellschaftlich kalten Zeit.
Ich lächelte. Wie selten dieser Moment doch war. Meinem letzten Wienerlied lauschte ich bestimmt in meiner Kindheit.
>> Mein Herz, das ist ein Bilderbuch vom oidn Wien, da blätter´ ich ganz heimlich manches Moi darin, und werd´, vor Freud´, so narrisch dann, ois wie a Kind..<< stimmte er an. Ich fühlte mich sofort geborgen. Ein perfekter Abend war dies doch, ein Glaser Wein, ein Wienerlied, die sommerliche Abendstimmung mit atemberaubendem Ausblick auf die Stadt und netter Gesellschaft.
Allein war Franz, der uns die Altwiener Stimmung mitbrachte. Kaum hatte er das Lied im typischen Wiener Dialekt beendet, vermochte ich ihn auf ein Glaserl als Dankesgeste einzuladen. Da geschah es, dass er mit einem Ruck an unserem Tisch Platz nahm. Und schon stimmte er wieder an: >> Ich hab´mir für Grinzing an Dienstmann engagiert, der mich nachhause führt, wenn irgendwas passiert…<<
Sobald das Lied zu Ende war, begannen wir eine rege Unterhaltung. Franz stellte sich uns vor. Das Leben von Franz war interessant gewesen, 76 Jahre alt, Witwer, lebensfroh. Zu jedem seiner Lebensandekdoten stimmte er ein abermals ein Lied an. Welch willkommene Abwechslung! So geschah es, dass die Zeit verrann. Die Achterln flossen, eines nach dem Anderen, unsere Kehlen hinunter. Allmählich wurde es dunkel am Himmel über Wien. So war es nicht verwunderlich, dass die Kellnerin zu uns kam.
>>Jetz´ trink dei depparts Glaserl aus, Fronz und loss´ di Gäst endlich in Ruah!<<
>> Mei Glaserl is ned deppert!<<
Ich brach in schallendes Gelächter aus. >>Fronz<<, der Herr an unserem Tisch war ein echtes Wiener Original.
>> Wos is, Mäderl? Der Koarl is mei Hawara!<< lachte er. Nur ein waschechter Wiener wusste, dass er den Schauspieler Karl Merkatz in seiner legendären Rolle des >>Edmund Sackbauer<< meinte.
>>A Liadl geht scho no, zum Obschied!<< und so stimmte Franz noch einmal ein Wienerlied an. Die Sperrstunde war schon längst überfällig, doch seine Anwesenheit hatte wohl mehrere Gäste in den Bann gezogen, so wie ich es nun bemerkte. Der halbe Gastgarten war nach wie vor besetzt.
>>Jetzt singst scho mit!<< bemerkte Franz und gemeinsam stimmten wir an!
>> Ein Wiederseh´n an der Donau, ein Wiederseh´n vor der Oper, ein Wiederseh´n mit den Freunden in Wien..<<
Franz bescherte uns einen unvergesslichen Abend. Wir verabschiedeten uns und tranken unsere Glaserln aus. Franz verließ singend das Lokal : >> Nur schee langsam voran, dass ka Unglück gschicht´..<<
© Life@theCity 2021-07-14