Wiens andere Seite

Ulrike Sammer

von Ulrike Sammer

Story

Wien ist eine wahrhaft prachtvolle, imposante Stadt. Als ehemalige Kaiserstadt und Metropole eines riesigen Reiches ist es voll von wunderbaren Palais, da sich alle namhaften Adelshäuser in der Nähe des Kaisers ein feudales Anwesen errichteten. In Wien gibt es ca 100 Museen, überquellend vor Kostbarkeiten, 290 Kirchen und unzählige große und kleine Bühnen. Wien ist die Weltstadt des Jugendstils. Manche ihrer gold-glänzenden Kuppeln erstrahlen an einem sonnigen Tag. Ein Paradies für Touristen!

Wien ist aber auch die „Welthauptstadt der Spione“.Über 7.000 Agenten und Spione sollen derzeit in Wien ihrer Arbeit nachgehen, so viele wie in keiner anderen Stadt. Verantwortlich dafür ist angeblich der „Wiener und sein Wesen“.Es geht um die Frage, wie Wien – bereits lange vor 9/11 und dem damit verbundenen Aufschwung der Geheimdienste – zur internationalen Agentenhochburg wurde. Der Wiener ist ein Naturagent, der in einer Volkskultur der Spionage aufgewachsen ist. Das hat seinen Ursprung auf den Marktplätzen der Vormoderne, wo 40 Fremdsprachen auf der Straße zu hören waren. Der Wiener war immer damit beschäftigt, Fremde kennenzulernen und abzuwägen, was sie wollen. Das Geheime gehört zum Kern der Gesellschaft. In Wien zählt das Nichtfestlegen, damit man es rückblickend auch anders gemacht haben kann. Das ist ein hochintelligenter Umgang und hat mit „Wiener Schmäh“ zu tun.

Wenn in Wien also ausländische Staaten andere ausländische Staaten ausspionieren, ist das völlig legal. In Wien dürfen sie in puncto Spionage Dinge tun, die sie woanders nicht tun dürfen. Es ist nicht strafbar.

Es gibt es also, das andere Wien mit seinen vielen Schatten. Die fifty shades von Wien. Zum Beispiel gibt es nicht nur das „Kunsthistorische Museum“ mit seinen Schätzen, sondern auch folgendes kleines Museum:

Das Kriminalpolizeiliche Museumbefindet sich in einem der ältesten Häuser im 2.Bezirk. Es steht dort, wo sich zuvor in der (vertriebenen) Judengemeinde das Gemeindehaus befunden hatte. Dort wird das Polizeiwesen und die Kriminalität vom Mittelalter bis in die neue Zeit präsentiert. Es werden mittelalterlicher Strafvollzug und die letzten öffentlichen Hinrichtungen in Wien dargestellt. Zu den Exponaten zählen zahlreiche Originaldokumente zu Kriminalfällen, Tatortfotos und Gerichtstexte sowie Körperteile von hingerichteten Verbrechern, wie zum Beispiel Köpfe. Ebenfalls ausgestellt ist das Skelett der „schönsten Mörderin Wiens“, die im Dezember 1808 ihren gewalttätigen Ehemann mit einer Axt erschlug und dafür als erste Frau in Wien am 16. März 1809 am Galgen endete.

Auch moderne Exponate sind im Kriminalmuseum zu finden, wie etwa die blutbefleckte Kleidung der Opfer des Prostituiertenmörders Jack Unterweger.

Kaum ein Tourist ist in diesem Museum zu finden.

© Ulrike Sammer 2022-06-18

Hashtags