von Eva Filice
„Ich habe gewonnen!“ Freudig lief ich aus der Küche in den Hof. „Im Radio haben sie meinen Namen genannt.“ Erfreut, aber doch ein wenig ungläubig warteten meine Eltern auf weitere Erklärungen. Außer Atem erzählte ich, dass ich in den nächsten Tagen Post erhalten werde. Dann kam ein Päckchen mit meinem Namen. Aufgeregt öffnete ich es. Zum Vorschein kam ein goldener Donauturm, der sich als Kugelschreiber herausstellte. Meine Freude war riesengroß. Ich hatte im Radio eine Sendung anlässlich der Eröffnung der Wiener Internationalen Gartenschau 1964 gehört und an einem Preisausschreiben teilgenommen. Auf eine Postkarte, von Omama Korrespondenzkarte genannt, schrieb ich die Lösung und warf sie erwartungsvoll in den Briefkasten.
Auf einer ehemaligen Mistablagerungsstätte und auf den Resten des Bretteldorfes, einer „wilden Siedlung“ nördlich der Reichsbrücke, wurde eine erfolgreiche Gartenschau veranstaltet. Der Donauturm ist heute noch ein markanter Punkt, nicht alles von damals ist mehr erhalten.
Radiohören war für mich als 14-Jährige eine beliebte Freizeitbeschäftigung und kam gleich nach dem Lesen. Der Radioapparat stand in der Küche auf einem Bord. Manchmal wollte ich ungestört auf UKW Musik hören, da zog ich den Stecker ab und trug das Gerät ins Wohnzimmer, da nicht alle meine Sendungen bei meiner Omama, die sich meistens in der Küche aufhielt, Gefallen fanden.
Ich probierte den Kugelschreiber gleich aus, und Mama machte mich aufmerksam, dass noch ein Schreiben in dem Päckchen lag. Als ich das Kuvert öffnete, fielen drei Zettel heraus, die ich nicht gleich beachtete. „Wir gratulieren zu Ihrem Gewinn: ein Mittagessen im Restaurant auf dem Donauturm für Sie und weitere zwei Personen.“ Ich jubelte und konnte mein Glück kaum fassen.
Wenige Tage danach fuhr ich mit meiner Schwester Lucy und mit Inge, einer jüngeren Cousine, mit dem Autobus nach Wien, zum ersten Mal ohne Mama. Ein tolles Gefühl. Heute war ich die Große, zumindest während der Busfahrt. Ich trug ein neues maisgelbes Leinenkleid, ärmellos und mit einem tiefen Ausschnitt am Rücken. Bänder aus gelbem Stoff waren strahlen-förmig über den Rückenausschnitt angebracht. Ein luftiges Kleid, ideal für den heißen Sommertag. Meine etwas ältere Cousine Gerti, die in Wien lebte, holte uns von der Endstation in der Operngasse ab. Nun waren zu viert.
Große Aufregung bei uns Kindern vom Land. Als wir uns dem Ziel näherten, staunten wir über die Höhe des Turms, bewunderten das Restaurant, das sich drehte. “Werden wir schwindlig?”, fragte meine Schwester.
Die Fahrt mit dem Aufzug verging im Nu. Ein Druck in den Ohren, schon waren wir oben. Dort staunten wir auf der Terrasse über alles, was wir sahen: Kahlenberg, Leopoldsberg, Bisamberg, Stephansdom und natürlich die Donau, die uns zu Füßen lag. Es war ein Traumtag. Ein Mitbringsel von dem Tag war ein Sonnenbrand, der sich strahlen-förmig auf meinem Rücken während des Spaziergangs im blumenreichen Donaupark entwickelt hatte.
© Eva Filice 2021-04-21