von Georg Zenz
Wer nach dem Oodnadatta Track in William Creek ankommt hat Durst. Unweigerlich. Egal ob von Süden oder Norden kommend, William Creek liegt so abgelegen wie sonst nichts auf diesem Planeten.
Nach Tagen auf der Piste mit dem Motorrad erreiche ich ausgedörrt den kleinen Ort. William Creek. Zwei Gebäude. Ein Pub, es ist auch Lebensmittelladen, Hotel und Postamt. Die Reihenfolge zugleich Wertung. Eine Werkstätte samt Tankstelle. Zusammen bilden sie eine Insel in der Wüste im Herzen Australiens. 12 Einwohner zählt das Kaff – jetzt sind ¾ davon im Pub.
Maria die resolute Barfrau, Verkäuferin, Postbeamtin, Tankwartin, Zuhörerin und Erzählerin schenkt mir ein kaltes Bier ein und beginnt verschiedene Dinge wegzuräumen. Gläser, Flaschen und was sonst alles zu Bruch gehen könnte. Die Postamtecke wird mit einer Holzplatte verbarrikadiert, die Eingangstür ausgehängt und nach hinten gebracht.
„Die Jungs vom fencetroup kommen heute – alles was gar nicht hier ist kann auch nicht zertrümmert werden.“ Irgendwie logisch.
4 Stunden später. Von Weitem hören wir Schüsse und Motorenlärm. Aus einer Staubwolke tauchen drei Motorräder und ein alter Pickup auf. Oben stehen einige Männer und feuern Gewehrsalven in die Luft .
Ab an die Bar. Die Jungs schütten sich das Bier so schnell hinunter dass Maria kaum nachschenken kann.
Schnell begreife ich die originale Outbacksprache. Es gibt nur zwei Adjektive und die sind abwechselnd vor jedes Substantiv zu setzen: „bloody“ oder “fuckin“. Jedes zweite Substantiv ist durch „bullshit“ zu ersetzen. Ist man mit irgendetwas absolut nicht einverstanden ist die Kombination „bloody fuckin bullshit“ eine mögliche verbale Reaktion.
22 Uhr. Die Typen können sich fast nicht mehr auf den Beinen halten. Kollektives torkeln. Mike, er hieß früher Mirko und stammt aus Ex-Yugoslawien, hängt mit beiden Händen an der umlaufenden Messingstange der Bar. Er ist ein Bulle von einem Mann, wenn der umfällt, braucht es mindestens fünf Männer um ihn wieder aufzustellen. Jack stützt sich mit seinem Gewehr ab. Vinc brüllt ihn an, er solle mit dem ´bloody´ Gewehr verschwinden. Was er auch macht. Er wankt hinaus und dann hören wir Schüsse. Und Klirren. Wir stürmen nach draußen. Jack steht einige Schritte vor dem Pickup und gibt einen Schuss nach dem anderen aus der Hüfte ab. Die Scheinwerfer zuerst. Dann die Windschutzscheibe. Danach die Reifen, einer nach dem anderen. Jack lacht laut und irre, hat aber sichtlich Mühe das Gleichgewicht unter den Rückstössen der Schüsse zu halten. Der blanke Wahnsinn. Bullshit.
Seine Kollegen feuern ihn an und schlagen sich vor Vergnügen auf die Schenkel. Craig fällt kopfüber die Holzveranda hinunter und landet im Sand, während der Pickup immer mehr zu Schrott wird.
Langsam bekomme ich es mit der Angst zu tun und verziehe mich samt Schlafsack hinter den Schuppen der Tankstelle. Lange noch höre ich ihr Grölen, das Zersplittern von Gläsern und das Zerbersten von Stühlen.
© Georg Zenz 2020-03-25