Willkommen im 21. Jahrhundert

Lisa Metzdorff

von Lisa Metzdorff

Story

Mein Vater hält sich für ein Technik-Genie. „Es ist wichtig, nicht den Anschluss zu verlieren, was so etwas angeht“, pflegt er zu sagen. Wobei ich nicht genau sagen kann, ob das ein (zur Abwechslung echt guter) Wortwitz sein soll oder seine Wortwahl nur Zufall ist. Die Aussage führt jedenfalls dazu, dass unser Haus von technischen Geräten nur so wimmelt. Fernseher, Beamer, BlueRay-Player, Computer, Laptops, Tablets und Smartphones, Radiowecker, Bluetooth-Lautsprecher, Bluetooth-Kopfhörer, Kameras. Nicht zu vergessen die Smartwatch, die er sich vor drei Jahren gekauft hat und die seitdem in irgendeiner Ecke einstaubt.
Meine Mutter meint, das läge daran, dass die Uhr ihn andauernd zur Bewegung auffordern wollte. Sollte das tatsächlich der Grund sein, hat die Uhr auf jeden Fall was gut bei mir. Schön, wenn Menschen in höherem Alter sich körperlich betätigen wollen. Wegen der Gesundheit und so.
Doch meine eigene Gesundheit kann es nur bedingt verkraften, wenn beim Mittagessen dauernd einer aufspringt, um eine Einheit Hüftkreisen an den Tag zu legen.
Was Technik angeht, ist er jedenfalls ein Musterschüler unserer konsumgetriebenen Gesellschaft. Alles, was neu ist, ist interessant und muss unbedingt verstanden werden.
Ich will jetzt nicht behaupten, dass ich mich mit allen technischen Geräten auskenne. Ich mag vielleicht Gen Z sein, aber nur weil man mit Smartphones aufgewachsen ist, heißt das nicht, dass man automatisch eine technische Ausbildung abgeschlossen hat.
Meine Eltern sind beide Boomer und das nicht auf eine Meme-Art. Nicht das sie wissen, was ein Meme ist.
Sie verstehen auch nicht das Prinzip von sozialen Medien. Ich habe einmal eine dreiviertel Stunde damit verbracht, ihnen ganz detailliert und mit aller Geduld, die ich vermag aufzubringen, erklärt, wie Instagram funktioniert.
„Fotos teilen kann ich auch über WhatsApp“, war exakt der Moment war, in dem mir bewusst wurde, wie viele Minuten kostbare Lebenszeit und Nerven sich gerade in Luft aufgelöst hatten. Und ich habe wirklich mein Bestes gegeben.
Meine Mutter meidet Technik so weit es geht. Sicher, unsere Küche ist selbstverständlich auch sehr technisch ausgestattet. Mitsamt Brotbackmaschine, Smoothiemaker und natürlich (um keine Marken zu nennen, schließlich ist das hier nicht gesponsert (zumindest noch nicht!)) Multifunktionsgerät. Da diese aber kaum bis gar nicht genutzt werden, bleibt es bei Herd und Backofen.
Den Fernseher im Wohnzimmer kann sie auch bedienen. Nun ja, sagen wir sie weiß, wo sie ihn anschaltet und wo die Netflix-Taste ist. Alles andere wird sowieso überbewertet.
Gleiches gilt für ihr Smartphone. Seit Jahren redet mein Vater seine Kaufsucht damit gut, dass er seine alten Handys an meine Mutter weitergibt. Somit erreicht er die gleiche „Aus den Augen, aus dem Sinn“-Situation, wie beim Lagern im Schrank. Minus dem schlechten Gewissen, dass er ja noch Geld mit dem Verkauf verdienen könnte.
Die Chance meine Mutter mit einem Anruf zu erreichen liegt bei 10 %, höchstens. Aber wehe man geht selber nicht ran, wenn sie anruft. Dann kann man sich nach stundenlangem Tippen auf folgende lange und besorgte Nachricht freuen: Geh ran!

© Lisa Metzdorff 2023-05-13

Genres
Romane & Erzählungen, Humor& Satire
Stimmung
Komisch, Unbeschwert
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