Willst du meine Intelligenz beleidigen?

Elisabeth Kinigadner

von Elisabeth Kinigadner

Story

Hellhörig, hellsichtig, hellfühlig, hochsensibel, seismografisch, bauchfühlig, intuitiv. Der hört das Gras wachsen.

Der Amerikaner, der, von einer Ausnahme abgesehen, alle Präsidenten vorausgesagt hat, hörte das Gras wachsen. Beim Neuen lag er wieder richtig.

Solche Menschen haben etwas. Ich verstehe es nicht. Was ich mit dem Verstand nicht erfassen kann, fasziniert mich. Das kann ich staunend zulassen, als wäre es ein Wunder.

Solche Menschen sind wie Hunde, die ein Gewitter spüren, bevor das Unheil losbricht. Sie haben ein hochwirksames Sensorium.

So ein Orakel sagte, dass die Pandemie alle Unwahrheiten und Leichen aus den Kellern ans Licht holen würde. Als die Urteile im BUWOG-Prozess gesprochen waren, sagte die Hellsicht:“ Siehst du, ich habe es gesagt“. Beim Bankenskandal auch. Die Leiche hat einen Namen. GELD.

Auf den Finanzmärkten geht es um Geld. Überraschung. Dass es auf den Kunstmärkten mehr um Geld geht, als um Kunst, kann sein.

Dass es in Bildung und Pädagogik um Geld gehen kann, haut mich um. Stätten der Bildung bilden Vorbilder.

Wir hatten einen interessanten Fortbildungsauftrag erhalten. Das Unternehmen ist ein Namhaftes. Die Projektmanager waren Betriebswirte, hatten die Verträge mit den Firmenanwälten ausgehandelt, die Zeitpläne erstellt und insgesamt ein Jahr in die Vorbereitungen investiert. Etwas so Professionelles hatte ich bis dorthin noch nicht gesehen. Angetan von der transparenten Kommunikation wuchs die Vorfreude kontinuierlich. Geehrt, unter fünfundzwanzig Rädchen das in meinem Fach sein zu dürfen, konnte ich den Beginn kaum erwarten.

Zwei Tage vor dem ersehnten Termin rief mich ein Lehrer an. Er hatte sich gedacht, es wäre sinnvoll, eine Fahrgemeinschaft zu bilden mit mir. Ich wohne genau in der Mitte.

Ich finde Fahrgemeinschaften aus vielen Gründen sinnvoll, Einsparung von Kosten ist einer davon.

“Gute Idee”, sagte ich, “du fährst mit dem Zug bis zu mir, ich hole dich am Bahnhof ab, wir fahren gemeinsam und dann lade ich dich wieder am Bahnhof ab.” So verblieben wir bis zum nächsten Tag.

Telefon: “ Mir wäre es lieber, du würdest mich abholen und wieder nach Hause bringen”. Den Kollegen kannte ich seit 15 Jahren. Fahre ich eben eine halbe Stunde früher weg und komme eine halbe Stunde später zurück, dachte ich, ist ja nicht so wichtig und willigte wieder ein.

Der Tag war gekommen und nach dem ersten Vormittag fuhren wir plaudernd zurück. An meiner Autobahnausfahrt warf ich einen Blick auf den Kilometerzähler, was dem Beifahrer nicht entging.

“Du musst nur die Kilometer bis zu dir notieren,” hörte ich, “ ich gebe dir zehn Euro jedes Mal.

“Ich bespreche mit den Koordinatoren, wie wir die Spesen abrechnen”, antwortete ich träge und schaute auf den Verkehr.

Ich Eselin! “Sag einmal, willst du….??” Ja, die gesamten Fahrtkosten für 3000 Kilometer abrechnen, ohne einen Meter gefahren zu sein. Wollte er.

Fahrgemeinschaft beendet.

Der “Pädagoge” verweigerte mir fürderhin den Gruß.

© Elisabeth Kinigadner 2021-01-03

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