von Sabine Benedukt
So viel Schnee hatten wir schon lange nicht mehr! PĂŒnktlich zum ersten Punsch am Adventmarkt hat es angefangen zu schneien â und nicht mehr aufgehört. Beim Heimgehen spazierten wir zwar durch schneebedeckte StraĂen, aber der Anblick der sich am nĂ€chsten Morgen bot, damit hatten wir nicht gerechnet. Ich bin frĂŒh aufgestanden, weil die Nacht so unwirklich hell war. Diesen Tagesanbruch wollte ich nicht verpassen. Wir haben unser Vorhaus renoviert, es ist jetzt auch ein Wintergarten mit einer Sitzgelegenheit um von dort hinausschauen zu können. So beobachtete ich ab 6 Uhr den anderen Wintergarten, den drauĂen. Ein mĂ€rchenhafter Anblick, wie ein Aquarell mit Weichzeichnung, bot sich dar. Eine Elster, schon frĂŒh unterwegs, löste beim Landeanflug auf eine Fichte eine kleine Baumlawine aus. Mindestens 30 cm Schnee lag auf unseren groĂen Tannen und Fichten, die alle aussahen, als hĂ€tte Gott sie mit einer dicken Schicht Zuckerguss glasiert. Auch das kleine ApfelbĂ€umchen hatte auf seinen dĂŒnnen Ăsten lauter Zuckerguss-HĂ€ubchen, und Nachbars Birken mit ihren dĂŒnnen, hĂ€ngenden Ăsten, hĂŒllten sich in ein Feenkleid. Die KirschlorbeerstrĂ€ucher waren verschwunden, wie weggezaubert! Auch unsere seitliche Thujenhecke lag flach. Der Schneedruck hatte sie niedergestreckt. Mein Blick aus dem Wohnzimmerfenster verwirrte mich. Unsere mindestens 5 Meter hohe Eibe vor dem Haus hatte ihre doch relativ dĂŒnnen Ăste unter der Schneelast in alle Richtungen zur Seite gebogen. Anstatt einem Baum war da jetzt ein riesiger Stern mit einer dicken weiĂen Decke obendrauf.
Tja, da war es heute nicht getan, mit ein bisschen drauĂen herum tĂŒdeln. Heute war Muskelkraft gefragt. Mein Mann hat die Wege freigeschaufelt und gemeinsam haben wir versucht unsere StrĂ€ucher ein wenig von der weiĂen Last zu befreien. Bei den am Boden liegenden Ăsten ging das leicht, aber fĂŒr die höheren war Gymnastik nötig: So standen wir hĂŒpfend mit dem verkehrt herum gehaltenen Besen im knietiefen Schnee und stieĂen den Zuckerguss herunter. Dabei wurden wir zu Schneefrau und Schneemann, weil alles auf uns herabgerieselt ist.
Auf der dick verschneiten Wiese konnte man zarte Spuren erkennen, vielleicht von einer Maus. Sie glichen zwei parallelen Linien und wirkten eher wie eine Mini-Langlaufloipe. In meiner Fantasie lief eine Maus auf Langlaufskiern durch den winterlichen Garten. Nahe beim Haus war eine gröĂere Spur, entweder der alte Rabe oder eine freche Elster haben in unserem Eimer fĂŒr AbfĂ€lle, die fĂŒr den Komposthaufen bestimmt sind, nach Apfelschalen gesucht. Das muss ich mir merken, und bei dem Wetter auch wieder nachfĂŒllen. Denn der Komposthaufen ist ja jetzt auch zugeschneit, da gibt es gerade keine Naschereien fĂŒr sie zu finden. Auch das Vogelhaus haben wir von der Schneehaube befreit, es war ja fĂŒr die GĂ€ste gar nicht mehr als solches erkennbar. Aber schön langsam wurde uns kalt, in den FĂŒĂen und HĂ€nden. Unsere Schuhe waren voller Schnee, auch die Handschuhe waren nass. Also ab ins Warme und vom Innen-Wintergarten ĂŒber die Natur gestaunt, ĂŒber ihre unbĂ€ndige Kraft, die sie uns in nur einer einzigen Nacht gezeigt hat.
© Sabine Benedukt 2023-12-03