von Feldwebel
Wie ein Vogel, dem es an nichts fehlt und deswegen auch keinen Sinn und Zweck sieht wegzufliegen, sind wir in einem goldenen Käfig gefangen. Ich spreche davon, dass wir – mal mehr, mal weniger – uns selber gefangen halten in einem Gefängnis, welchen wir selber zu verantworten haben. Unsere Wärter sind sofortige Glückshormone, die aufgrund eines perfekten Algorithmus uns jederzeit zur Verfügung stehen. Ein Swipe nach oben, unten, links oder rechts und wir können für einen klitzekleinen Moment fasziniert dreinschauen. Doch diese Befriedigung hält nur sehr kurz an, es ist wie Fastfood für uns, es macht uns ungeduldig und nicht satt. Es war nie die Rede davon, einen sattzumachen, man soll beschäftigt werden und aus dem Alltag herauskommen. Aber wo bleibt der Mehrwert, wenn wir immer tiefer uns in diesen Sumpf hineingeraten und am bitteren Ende irgendwo im Nirgendwo stecken bleiben? Dann kannst du schreien, wie du magst, es hört dich keiner. Man kann sich auch einsam und alleingelassen unter Menschen fühlen. Besonders, wenn es oberflächlich bleibt. Wo findet man ehrliche und anständige Menschen, wenn alle doch nur auf das eine hinauswollen und zusätzlich sie kaum Zeit für ein Vorgeplänkel haben? Zudem fußen Freundschaften mehr auf Zahlen und Aussehen, es sind mehr Nutzbündnisse, wenn man sich zu zweit zeigt, wie schön unser Leben doch ist, auch wenn wir innerlich leer sind, dass unser Schrei von den Wänden wieder halt.
Das und vieles mehr müssten wir aufgeben, wenn wir unseren goldenen Käfig verlassen wollten. Gewinnen würden wir Freiheit. Sicherlich ist Freiheit zu definieren sehr schwierig, aber wir wären zu mindestens diese Abhängigkeit los, von der wir wissen, dass sie uns mehr schadet als nützt. Unser Leben wäre mehr selbst- und nicht fremdbestimmt. Algorithmen würden nicht mehr über unsere Gefühle, unsere Sicht auf Dinge, unsere Zeit und Lebensqualität Einfluss nehmen. Es würde sich nicht mehr das Licht vom Bildschirm in unsere Netzhaut einbrennen, sondern das Licht von einem hübschen Stern, der alles sanft erstrahlen lässt. Wir würden die Luft der freien Natur einatmen, die spannender als jede Doku ist. Aber um von Natur tiefgreifend fasziniert und inspiriert zu werden, braucht man Zeit und Kraft und mit Kraft meine ich Geduld, um z.B. tägliche meisterhafte Prozesse live anzuschauen, wie einen Sonnenuntergang oder das Leben und Essen von Spinnen, die fast schon liebevoll ihre Beute in einen weichen seidenen Kokon einhüllen. Am Anfang zittert diese Beute, doch nach und nach gewinnt die Spinne und die Beute schläft, eingewebt ein.
Wir sollten dringend darauf achten, dass wir nicht die Beute sind und uns einweben lassen, sondern selbst bestimmen, was uns wirklich guttut und was uns sattmacht. Sind wir der Vogel im goldenen Käfig oder sind wir der Vogel, der frei in der Luft fliegt? Die Mauern, die uns gefangen halten, dürfen wir nicht pflegen oder erneuern; wir müssen sie zerstören, damit das Licht und die Luft der Freiheit uns endlich wieder erreichen und wir Beziehungen eingehen können, die nicht auf dummen Oberflächlichkeiten beruhen, sondern auf dem individuellen Wesen. Nicht jeder Tag ist ein Gewinn und manchmal ist der Alltag einfach zu viel für einen Menschen, da kann sicherlich so ein Algorithmus Wunder bewirken, mit dem man eine Mauer neu baut, doch man sollte nicht die Tür vergessen ;).
© Feldwebel 2024-03-03