Wir Kinder aus denen nichts werden soll 1.2

Soraya Schulz-Hess

von Soraya Schulz-Hess

Story

Doch bereits beim nächsten Treffen spĂĽrte Caro, dass etwas anders war. Luna unterbrach sie oft, hörte ihr nicht mehr so aufmerksam zu und wirkte distanziert, ja, beinahe genervt. Caro wollte nicht aufdringlich sein, aber das GefĂĽhl, das sie seit Jahren begleitete – das GefĂĽhl, zu stören und nicht willkommen zu sein – schlich sich wieder ein. Eines Abends, als sie sich gerade verabschieden wollte, blieb Luna stehen und blickte Caro scharf an. „WeiĂźt du, Caro… vielleicht passt du doch nicht so gut zu uns, wie ich dachte,“ sagte sie unvermittelt, und ihre Worte stachen wie Klingen. „Es ist, als ob du die ganze Zeit nur ĂĽber deine eigenen Probleme reden willst. “Caro erstarrte. Die Worte trafen sie hart. „Aber… du hast gesagt, dass ich hier ehrlich sein kann.“ Luna zuckte mit den Schultern, das sonst so sanfte Lächeln war verschwunden. „Ja, aber irgendwann wird es auch zu viel, verstehst du? Wir alle haben Probleme, aber du machst alles so… dramatisch. Du ĂĽbertreibst das stimmt Safe nicht was du da sagst, so schlimm ist es doch gar nicht.“ Die anderen sahen zu Boden, keiner schien fĂĽr sie Partei ergreifen zu wollen. Die Erkenntnis dämmerte in Caro, dass dieser Ort, die „Zuflucht“, wohl nie wirklich fĂĽr sie bestimmt gewesen war. Es war ein Trugbild gewesen, ein Traum, an den sie geglaubt hatte, nur um jetzt wieder auf den harten Boden der Realität zurĂĽckzukehren. Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich ab und verlieĂź den Raum. Tränen brannten in ihren Augen, aber sie hielt sie zurĂĽck, bis sie zu Hause war. Dort lieĂź sie sich auf ihr Bett fallen und presste das Gesicht ins Kissen. Die Leere und Enttäuschung wĂĽhlten in ihr, und sie fragte sich, warum sie ĂĽberhaupt jemals gedacht hatte, dass jemand sie wirklich verstehen könnte. In dieser Nacht schlief sie kaum. In den Tagen darauf versuchte Caro, Lunas Worte zu verdrängen, doch sie hallten immer wieder in ihrem Kopf wider. Der Gedanke, dass sie selbst in einem Raum voller „AuĂźenseiter“ nicht wirklich akzeptiert wurde, war zu viel. Die wenigen verbliebenen Gespräche mit Luna waren kurz und distanziert, als wäre Caro jemand, den man dulden, aber nicht wirklich mögen konnte. Doch das Schlimmste sollte erst noch kommen. Am darauffolgenden Montag, während der Mittagspause, bemerkte Caro, wie einige SchĂĽler tuschelnd auf sie zeigten und kicherten. Sie ignorierte es zunächst, doch als sie sich an den Rand des Schulhofs setzte, hörte sie, wie eine Gruppe von Mädchen ĂĽber sie sprach.„Habt ihr gehört, dass Caro sich fĂĽr etwas Besseres hält?“ höhnte eines der Mädchen. „Als wäre sie die Einzige, die Probleme hat.“ Ein anderes Mädchen fĂĽgte hinzu: „Luna hat uns erzählt, dass sie immer so tut, als wĂĽrde sie die Welt nicht verstehen. Aber sie ist einfach nur egoistisch und dumm, mich wĂĽrde es nicht wundern wenn sie adoptiert ist.“ Caro erstarrte. Es fĂĽhlte sich an, als wĂĽrde der Boden unter ihr wegbrechen. Luna hatte ihre privaten Gedanken, ihre innersten Ă„ngste und Zweifel einfach an andere weitergegeben – verzerrt und verhöhnt, als wäre sie eine lächerliche Figur, die ĂĽber ihre eigenen Probleme jammerte. All das Vertrauen, das sie in Luna gesetzt hatte, war von einem Moment auf den anderen zerstört. Noch am selben Tag stellte Caro Luna zur Rede. In einem verlassenen Flur sprach sie sie an, ihre Stimme zitternd vor Wut und Enttäuschung.„Warum hast du das getan? Warum hast du das, was ich dir erzählt habe, einfach an alle weitergegeben?“ fragte Caro, während sie versuchte, ihre Tränen zurĂĽckzuhalten.

© Soraya Schulz-Hess 2024-11-06

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Dunkel, Emotional, Traurig