von Sabine Schlager
Wir sehen uns wieder
Du warst, was Shamrock Hills anbetraf, tatsächlich zum ersten Mal kritisch eingestellt und hast angemerkt, es in sollte Shame wie Schande umbenannt werden. In der Stadtverwaltung ginge es drunter und drüber, die Finanzen ein Fiasko und die Leute nur am Pöbeln und Intrigieren. „Meg, du kennst die Bewohner dort, hast mich selbst auf ihre Eigenarten aufmerksam gemacht. Warum willst du dorthin zurückkehren?“ Du konntest unsere Ambitionen, London zu verlassen, nur bedingt nachvollziehen. „Shamrock Hills ist kein guter Boden, um sich eine Existenz aufzubauen.“ Du hast mich eindringlich angesehen, an meine Vernunft appelliert. „Besser ihr richtet euch euer Leben in London ein, als wieder von vorne anzufangen. Tu dir einen Gefallen, Meg und lass die Umzugspläne nach Shamrock Hills ruhen“.
Ich habe dir auseinander zu setzen versucht, wie viel Unerledigtes es in Shamrock Hills noch gäbe und dass dieses Kapitel einfach nicht abgeschlossen wäre. Der Bruch wäre zu rasch erfolgt und das Heimweh groß. Wir hätten über Nacht alles, was uns ausgemacht hatte, aufgegeben. Wir wollten einen geraden Strich ziehen können, ohne Wehmut und Ressentiments. Es wäre ein Trauma zu verarbeiten. „Ich hätte dich lieber in London besucht“, hast du angemerkt. „Ich bin noch länger in der Stadt, komm vorbei, wenn du Lust hast“. Ich wollte, dass du mich weiterhin besucht hättest, so wie ich im Sommer nach Shamrock Hills hätte reisen wollen. Es war nur nie dazu gekommen.
Zum Abschied deines Besuches in London habe ich dir in die Jacke geholfen, als du dich plötzlich umgedreht und mich um die Taille umfasst hast. Nun wusste ich, es war definitiv mein Fehler, nicht neben dir Platz genommen zu haben und es hat mich mega genervt, so blöd gewesen zu sein. Was hätte ich mir schon vergeben? Eine Weile hast du mich so festgehalten, umrahmt von meiner Mutter und meiner Schwester, um festzustellen, dass ich ziemlich abgenommen hätte. Du kanntest mich eben. Mom hat das Schauspiel unterbrochen, indem sie vorschlug, dich zum Lift zu bringen, was ich hätte tun wollen. Aus einem unerfindlichen Grund nahm sie mir das Zepter aus der Hand und geleitete dich aus dem Apartment.
Es war das letzte Mal, dass wir miteinander in aller Ausführlichkeit eine Unterhaltung geführt, uns gesehen und umarmt haben. Dabei hatte ich so viel Hoffnung gehegt, wir könnten unsere Romanze wieder aufleben lassen, vielleicht in eine andere, intensivere Richtung führen. Ich war selbständiger und unabhängiger geworden. Ich hätte mich zu dir bekennen wollen. Aber das Schicksal hatte offenbar anderes mit uns vor. Irgendwie hab ich diesem verpatzten Besuch die Schuld gegeben. Ich hatte mich dir von keiner guten Seite präsentiert und war wütend auf mich. An diesem verkorksten Tag war ich nicht ich selbst gewesen. Nicht flirtend, nicht zärtlich, nicht witzig und geistreich. Eine stille Zuhörerin und Beobachterin, die mit ihrem Schicksal haderte. Ich habe nie auf den Prinzen, der auf seinem weißen Schimmel herbei geritten kommt, gewartet, nie von dir erwartet, du könntest mich retten. Doch dieses Ende habe ich auch nicht gewollt.
© Sabine Schlager 2025-03-01