von Reinhard Pape
Mitte Februar waren wir von Sevilla auf der Via de la Plata unterwegs. 1200km bis nach Santiago de Compostela und weiter bis Finisterre.
Durch mächtige Regenfälle war alles weich und schlammig geworden, teilweise hatten wir Riesenschuhe an, so klebte der feuchte Lehmboden an den Rändern fest.
Mitten in weiten Naturschutzgebieten hatten wir oft keine Wahl, wenn ein Fluß überquert werden musste. Mindestens einen Meter über Steinklötzen konnten wir nur halb nackend den Fluss überqueren, alles andere musste so weit wie möglich oben im Schulterbereich festgebunden werden. Upps…meine Schuhe rutschten mir plötzlich runter und schwammen luftgepolstert auf dem Wasser weg Richtung portugiesische Grenze. Gefolgt von meinem Reiseführer, der mir in der Hektik unter dem Pullover weggerutscht war. Zurück zum Ufer und barfuß am Flussufer entlang rennend hinter den Schuhen hinterher. Ein Gebüsch, ein Strauch – das Schuhpaar blieb Gott sei Dank hängen, den Reiseführer musste ich dagegen abschreiben. – Abends in der nächsten Herberge befeuerten wir einen Kanonenofen, um die Schuhe zu trocknen. Damals war das nicht die beste Idee, zu groß die intensive Hitze – die vordere Gummierung des Schuhes platzte auf. Ein „Zapatero“ klebte den Schuh dann in Salamanca. Es bewahrheitete sich der Spruch: „Immer, wenn Du denkst, es geht nicht mehr, kommt der Jakobus mit einem „Lämpchen“ daher“. Im übertragenen Sinne hat das für die ganze Strecke gegolten.
Wir trafen Susanne aus Berlin. Sie war allein unterwegs, wieder und wieder begegneten wir uns aber abends in einer Herberge und anschließend dann beim Pilgermenu zur Belohnung für das Geleistete. Tagsüber gingen wir weiter getrennt, informierten uns bei der Wetterlage aber des Öfteren über unbegehbare Wege, geöffnete Cafés usf. – In Santiago ließen wir die Korken knallen, zusammen mit Albert und Michel aus Frankreich, die mit uns auch immer Kolonne gelaufen waren. Albert ist nicht in Sevilla sondern in Valencia gestartet. Auf dem Weg nach Finisterre hat trotz frischer Temperaturen Susanne ein Bad genommen. Das sollte innere und äußere Reinigung bewirken. Am Ende der Welt angekommen, haben wir dem atemberaubenden Sonnenuntergang an der Steilküste entgegengesehen. Ein guter Tropfen parkte im Fläschchen in meinen Schuhen, um nicht den Abhang hinunter zu rollen. Bewegend, hier an dieser Stelle gemeinsam zurückzublicken auf all‘ das, was wir erlebt, überwunden und geschafft haben – damals mit 64 und 62 Jahren. Kult war dann mit anderen Pilgern, ein kleines Feuerchen zu entfachen und Wandersachen zu verbrennen. So einfach ist das gar nicht, eine Socke zum Brennen zu bringen. Eine junge Spanierin machte uns das dann vor und rezitierte parallel dazu Wünsche an das Universum, denen wir uns nur anschließen konnten. Aufhorchen mußten wir, als es um die Bitte um guten Sex ging – aber, wer will was dagegen haben? Gott sei mit uns!
10 Jahre später laufen wir noch immer – es bleibt Dankbarkeit!
© Reinhard Pape 2020-08-07