von Aurelia Niebler
Es ist nicht so lange her, da waren wir eins. Meine Träume waren deine und deine Sehnsucht war meins. Zweitausend fünfhundert achtundfünfzig Tage waren es, und noch eine Ewigkeit dazu. Es gab nur uns zwei, es war Vertrautheit, unser Zuhause. Mein Leben ein Erdball und das Herzstück warst du. Es ist nicht so lange her, da war mein Lächeln deine Welt. Mein Glück war dein Glück und deine Freude das Meer. Es war diese Zeit, sie ist nicht so lange her. Mein Duft, meine Wärme und mein Atmen beim Schlafen, du kanntest es alles, es war so sehr geliebt und das alles von dir. Auch kein Fragment von dir war mir fremd: nicht eines und nicht ein halbes. Nicht dein akribisches Forschen, deine Gesten im Leben. Nicht dein Ausdruck am Morgen und auch nie dein Bestreben. Weißt du es noch: Es liegt nicht so weit zurück. Da schenktest du mir deine Wärme, deine Ängste, dein Leiden. Die Wärme trug ich bedächtig, denn sie war mein Glück und den Rest wollte ich schützend auf ewig für dich vertreiben. Es war deine Seele. Sie war wunderschön: Ich war so beglückt, denn du gabst sie mir. Ich hütete sie wie ein kostbares Geheimnis, wachte darüber und gab meine dir. Es ist nicht so lange her, da warst du Geborgenheit. Dein Blick war mein Zuhause, deine Brust war die Zuflucht und deine Berührung Verbundenheit. Eigentlich ist es ganz einfach und doch so unglaublich spektakulär: Denn dein Herz war das meine und mein Herz war in dir.
Doch jetzt, jetzt ist alles anders. Bin es nicht mehr für dich: so vertraut und besonders. Nicht mein Duft, meine Wärme, nicht mein Atmen beim Schlafen. Du liebst mich nicht mehr, ein Gefühl als würdest du mich bestrafen. Nichts mehr von mir, nichts fängst du mehr auf mit deinem Herzen! In Unberührtheit lässt du es stattdessen zersplittern, und dir ist egal sind es dann tausend Scherben. Dein Herz ist nicht mehr das meine, denn es sieht mir nicht einmal mehr ins Gesicht. Es gibt nur deinen Blick, welcher mich sieht, dieser Eine. Er ist ein Fragment, doch ich kenne ihn nicht. Ich suche nach dir, tief in deinen Augen, doch alles, was ich sehe, ist auf Abstand und kalt. Gestern noch mein Zuhause, meine Welt und mein Leben. Jetzt machst du mir Angst und zwischen uns ist ein Spalt. Mein Blick sucht dich noch, doch alles, was ich sehe, ist Unberührtheit. Meine Tränen sie laufen, deine Maske sie fällt nicht und es fühlt sich an wie Ertrinken in Gleichgültigkeit. Die Suche sie dauert und lässt mich verbluten, und hilflos ertönt irgendwann dann mein Schrei. Du lässt ihn abklingen – wie kannst du mir das zumuten? Siehst nur stumm zu und mein Herz bricht entzwei. Und alles was bleibt ist dein Blick und der Raum, während der Augenblick sich für mich anfühlt wie ein abscheulicher Traum. Es ist eine Lüge, sie haftet an dir. Und von jetzt auf gleich gibt es nicht mal mehr das „wir“. Du siehst mir in die Augen, bringst mich dazu dich zu hassen: Dein Entschluss steht jetzt fest und ich muss zu lassen. Jetzt gibt es sie: Du versprichst dir neues Glück. Tänzelst nach vorne und lässt mich zurück.
Zweitausend fünfhundert achtundfünfzig Tage mit nur einem Blick. Vielleicht hat die Lüge recht und es ist gar kein Trick? Dabei dachte ich doch und ich war so überzeugt, ich hab mich widersetzt und so lange gesträubt. Ich dachte es ist nicht so lange her, da waren wir doch eins. Dein Herz hast du mir entzogen und wollen, tust du nicht mal mehr meins.
© Aurelia Niebler 2023-08-28