von Josef-Paul Ecker
Und wieder ist ein Jahr ins Land gezogen, ich war inzwischen schon 64 Jahre alt und machte mir daher keine großen Hoffnungen mehr, die direkte Linie in der Südwand des Dachsteins bis zum Gipfel zu klettern. Ich konzentrierte mich jetzt auf die im Vorjahr geplante Tour mit meinem Bergführer Paul. In der Südwand des Kleinen Ödsteins im Gesäuse.
Um 6 Uhr früh, es war noch ziemlich dunkel, wartete ich am ausgemachten Treffpunkt in Johnsbach. Nach etwa 15 Minuten kam Paul, der aber jetzt ein wenig skeptisch war, was die etwas geänderte Wetterprognose betraf. Sie war jetzt nicht mehr so sicher wie am Vortag, als wir uns verabredet hatten. Für den Nachmittag waren mögliche Gewitter angesagt. Ich überredete Paul, vorerst einmal zuzusteigen, vorm Einstieg in die Wand könnten wir immer noch umdrehen. Schließlich bin ich fast 2 Stunden hergefahren und wollte nicht ganz unverrichteter Dinge wieder nach Hause.
Paul war einverstanden. Nach 2 Stunden Zustieg und Begegnungen mit Murmeltieren und einer ganzen Menge Gämsen, waren wir am Einstieg der Kletterroute. Dem „Waidhofner-Weg“ in der Südwand des Kleinen Ödsteins. Wettermäßig schaute es jetzt gar nicht mehr so schlecht aus, und so stiegen wir guter Dinge in die steile Wand ein.
Nach 2 oder 3 Seillängen gelangten wir zu Wasserrillen, wie ich sie noch nie gesehen hatte! (durch Wasser tief ins Kalkgestein ausgewaschene Rillen) Paul und sein Bekannter hatten nicht zu viel versprochen, es war eine der schönsten Routen, die ich bis jetzt geklettert bin. Zwar spärlich abgesichert, mit weiten Hakenabständen, stürzen war deshalb verboten, aber mit Paul im Vorstieg fühlte ich mich sicher. Er erzählte mir, dass sie früher mit den schweren Bergschuhen in den tiefen Wasserrillen fast stecken geblieben sind. Heute mit den leichten Kletterschuhen war es wunderbar zu klettern.
An diesem Tag war ich sehr gut in Form und so kamen zügig voran, Paul immer mit einem Auge das Wetter und die Wolken beobachtend, die schnell über uns hinweg zogen. Manchmal sah man jetzt sogar öfters die Sonne, aber Paul traute dem Wetter noch nicht ganz und drückte daher aufs Tempo.
Ich war wie es meinem Naturell entsprach, immer positiv gestimmt und war mir sicher, dass das Wetter hält. So war es dann auch. Es wurde sogar noch ein recht sonniger Tag. Nach 17 schönen, aber anspruchsvollen Seillängen, seilten wir uns nach dem Ausstieg die ganze Route wieder ab.
Paul meinte während des Abstiegs zurück nach Johnsbach, wenn ich so gut in Form bleibe und so schnell klettere wie heute, dann wäre auch die Südwand des Dachsteins in direkter Route bis zum Gipfel möglich. Vielleicht noch heuer im September!…Die SÜDWAND!… So richtig glaubte ich ja gar nicht mehr daran, diese legendäre Route, den „Steiner-Weg“ zu klettern. Immerhin war ich wie schon erwähnt 64 Jahre alt.
Während wir darüber redeten, stieg mein Puls und in Gedanken sah ich mich schon auf dem Gipfel des Dachsteins stehen.
Zu Hause blätterte ich immer wieder im Kletterführer und beschäftigte mich noch intensiver und genauer mit der jetzt vielleicht doch möglichen Klettertour.
© Josef-Paul Ecker 2025-02-17