von Silke Wrbouschek
Ich blickte nach oben, wischte mir den Schweiß von der Stirn und dachte mir:
Warum in Gottes Namen ist es hier am Berg so heiß? Bin ja gerade mit dem Zug von Sevilla nach Nord-Frankreich gereist, um der Gluthitze von 42 °C zu entkommen. Warum musste ich mir das wieder antun? Ganz einfach, das Weitwandern hat mich voll im Griff und so nimmt man auch extrem heiße Tage über die Pyrenäen in Kauf. Wasserflasche aufgedreht, 1-2-3 Schluck genommen, weggepackt und weiter geht es Schritt für Schritt schnaufend mit 10 Kilogramm Gewicht nach oben. Rechtzeitig, bevor mich gefühlt 100 andere Wanderer überholten. Klar, zu meinem Glück ist heute Sonntag und viele hatten sich das Gleiche vorgenommen. Eigentlich ist es mir egal, denn die Masse zerstreut sich und ich jammere jetzt nur, damit die Höhenmeter erträglicher werden.
Schnauf, schnauf und wisch. Ein Ohh, folgte kurz darauf, nachdem ich wieder mal Luft schnappen musste und mich umgedreht hatte. Der Nebel hatte sich verzogen und eine traumhafte Aussicht auf die Landschaft unter mir tauchte auf.
Mitten am Weg, es wurde gerade eben, steht ein Wohnwagen, rundherum bunte Sessel aufgestellt, Sonnenschirme gespannt und einige Wanderer hatten sich bereits gemütlich gemacht. Ein kleiner Snack wäre doch was Feines, dachte ich mir. Die Auslage versprach lauter toller Lebensmittel, mir rann das Wasser im Mund zusammen. Ich entschied mich für Salzgebäck, Limonade und für einen vakuumverpackten Käse für unterwegs. Messer hatte ich dabei, sodass das Öffnen kein Problem sein dürfte. Salzgebäck und Limo verschwanden schnell mal im Magen und weiter geht es.
Die nächsten Tage genoss ich die Landschaft, die vielen netten Menschen unterwegs.
Heute kam der erste Regen, so machte ich mit ein paar anderen eine Pause in einem Bushäuschen, quetschten uns sozusagen hinein. Ich bot jedem großzügig meinen Käse im Vorhinein an. Fand diesen jedoch nicht. Ich suchte alles ab, wirklich alles. Doch meinen Rucksack jetzt komplett ausräumen wollte ich auch nicht. Komisch, dachte ich mir nur. Tage vergingen, ich hatte den Käse nicht mehr im Kopf. Ich zog von Ort zu Ort, kaufte mir da und dort kleine Snacks für den Tag und als ich wieder mal bei einem Käsestand vorbeiging, erinnerte ich mich daran, das wahrscheinlich Etwas in meinem Rucksack dahinvegetierte.
Abends, in der Herberge, alles wurde auseinandergenommen, der ganze Rucksack. Nichts. Nirgends tauchte der Käse auf. Ich gab auf. Werde den Käse nicht mehr kosten können. Habe diesen wohl liegen lassen. Schade.
Die Pilgerreise nach Santiago war traumhaft. Nach 30 Tagen trat ich die Heimreise an. Zu Hause, Rucksack entleeren, lüften, reinigen. Wie viele Taschen kann ein Kilimanjaro-Rucksack haben? Und der Käse, bleibt verschwunden. Oder doch nicht?
Nach 6 Monaten Ruhe packte ich für eine Österreich-Tour meinen Kilimanjaro-Rucksack, griff in das unterste Fach und spürte etwas. Ich zog es neugierig heraus und bekomme einen Lachkrampf:
DER KÄSE ist wieder da!
© Silke Wrbouschek 2020-10-28