von Daniela Krammer
So müde. Ich komme kaum aus dem Bett. Dabei ist schon noch einiges zu erledigen. Heute ist der 24.12. – lang erwartet, lange vorbereitet, heute ist doch endlich mein Weihnachten. Warum bin ich so müde?
Ich mach im Bett noch ein paar Übungen, um mich in Schwung zu bringen. Zehen krallen, strecken, Füße kreisen. Langsam bin ich wach genug, um aufzustehen. In der Küche – Kaffee. Schwarz. Viel. Hilft nix. Ich bin so müde. Vielleicht hilft eine kurze Meditation – das gibt mir immer genug Kraft, um in den Tag zu gehen. Heute keine Chance. So müde mein Körper und meine Seele ist, so sehr rattert mein Verstand: Einkaufsliste, Geschenke nochmal durch denken, heute nachmittag nochmal auf die Bühne für einsame Herzen. Keine Zeit für Ruhe, nur für Müdigkeit.
Dann halt nicht, ich fahre einkaufen. Die letzten Kleinigkeiten, Salat, Tomaten, Yoghurt. Noch kurz in die Apotheke. Freundliche Gesichter, freundliches „Frohe Weihnachten“ allerorts. Kein Stress. Ich warte bei der Ampel, fühl in mich hinein. Warum bin ich so hohl? Kein Weihnachtsgefühl weit und breit.
Fast täglich bin ich auf irgend einer Bühne gestanden, in kleinen Werkstätten, in Hotels, in Pensionistenhäusern, hab Weihnachtslieder gespielt, gesungen, Menschen diesen Zauber von Weihnachten auf ihre Feste gezaubert. Hab alles gegeben. Jetzt: wo ist mein Weihnachten?
Tränen schleichen sich in meine Augen. Meine Söhne, meine Familie, auch sie hat ein Recht auf eine funktionierende Mami. Ich höre mich mit mir schimpfen, spüre wieder diesen Perfektionsdrang. Das muss doch auch funktionieren, ich muss doch auch funktionieren. Da schleicht sich ein Lächeln in meine Tränen. Es spricht zu mir, das Lächeln: „Was willst du eigentlich noch alles? Schau doch, wie gut alles geklappt hat. Wie vielen Menschen du ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert hast. Mit deiner Musik, mit deinem Lied „A Stück von Weihnachten“. Darfst du da nicht auch mal erschöpft sein? Darfst du dich da nicht auch mal hohl und müde fühlen?“
Ja das darf ich. Und in dem Moment, wo ich mir das erlaube, spüre ich es auch wieder. Dieses freundliche Gefühl. Dieses Ja zu mir selber heißt auch Ja zu meinem Müde-sein, Ja zu meinem Erschöpft-sein.
Leise tropft noch eine Träne aus meinen Augen, aber ich weiß schon nicht mehr, ob es eine Träne der Traurigkeit oder doch schon eine der Dankbarkeit ist.
Jetzt ist mein Weihnachten.
© Daniela Krammer 2019-12-24