von Brandie_Reed
Als Paul abends im Bett liegt und nicht einschlafen kann, muss er an Jan denken. Und an Mimi. Die Katze ist immer noch nicht wieder aufgetaucht, und draußen ist es längst dunkel. Die Mutter hat ihm eine Tasse mit warmer Milch und Honig neben das Bett gestellt. „Das beruhigt dich“, hat sie zu Paul gesagt.
Doch Paul will sich nicht beruhigen. Und auch sein Herz, das laut pocht, will sich nicht beruhigen. Paul liegt wach und denkt immerzu an Mimi. Und er denkt darüber nach, was er hätte tun können, damit sie nicht wegläuft. Wenn ich krank gewesen wäre, dann hätte ich nicht in die Schule gehen können und auf Mimi aufpassen können. Dann wäre sie vielleicht auch nicht weggelaufen, überlegt er sich. Paul war erst vor drei Wochen krank und deshalb zwei Tage nicht zur Schule gegangen. Doch da war Mimi ja nicht weggelaufen. Paul war ganz schlecht vor lauter Nachdenken. Am liebsten wäre er aufgestanden, hätte sich angezogen und in der ganzen Stadt weiter nach Mimi gesucht.
Als alle schlafen, schleicht er sich aus dem Bett, nimmt die Tasse mit der Milch, tapst durch den Flur und öffnet ganz leise die Haustüre. Dann stellt er die volle Tasse vor die Tür und flüstert: „Die ist für dich, Mimi. Bitte, bitte komm ganz bald zurück.“
Am nächsten Morgen ist Lara als erste wach. Es ist Samstag, also müssen die Geschwister nicht in die Schule. Lara blickt zuerst aus dem Fenster in den Garten und schaut nach Mimi. In dem kleinen Blumenbeet vor dem Fenster entdeckt sie Spuren in der Erde, die aussehen wie Pfotenabdrücke. „Mimi?“, fragt Lara leise. Ein leichtes Lächeln huscht über ihr Gesicht. Dann läuft sie, so schnell sie kann, ins Schlafzimmer ihrer Eltern und rüttelt die Mutter wach. „Mama! Mama! Mimi ist wieder da!“ ruft sie laut.
„Was sagst du da?“ fragt die Mutter. „Wo ist sie?“
Jetzt wacht auch ihr Vater auf und reibt sich verschlafen die Augen.
„Draußen im Garten! Ich habe ihre Spuren bei den Blumen gesehen!“ ruft Lara noch lauter und aufgeregter und zerrt ungeduldig an der Decke der Mutter.
Die Eltern blicken einander erstaunt an, rappeln sich aus den Federn und gehen mit Lara nach draußen. Tatsächlich sind da Abdrücke im Beet, aber von Mimi ist weit und breit nichts zu sehen.
„Mimi! Mimi!“ ruft Lara und rennt durch den Garten.
„Die Spuren sind wahrscheinlich schon alt“, flüstert der Vater der Mutter zu. „Ich glaube, ich habe sie vor einigen Tagen schon bemerkt.“
Die Mutter sieht den Vater schweigend an. Dann ruft sie nach Lara. Doch Lara ist längst hinter dem Haus verschwunden.
(Fortsetzung siehe Teil 6)
© Brandie_Reed 2025-01-30