Wo liegt der Unterschied?

Nadja Kirnbauer

von Nadja Kirnbauer

Story

Sie sagen, wenn sie sich nicht anpassen können, sollen sie dahin verschwinden, wo sie herkommen. Sie. Damit sind Ausländer gemeint. Aber das gilt selbstverständlich nicht für jeden Ausländer. Nein, nur die Menschen, die aus Osteuropa, arabischen Ländern oder aus Afrika kommen sind Feinde unserer ach so tollen Gesellschaft. Osteuropäische sind immer Einbrecher, Diebe und Schwarzarbeiter. Menschen mit dunkler Haut sind immer Drogendealer und Vergewaltiger und die Araber sind alles. Vergewaltigende, drogendealende, diebische Terroristen, die uns unterdrücken, einsperren oder enthaupten wollen. Und plötzlich sprechen alle nur mehr von Flüchtlingen.

Die Gesellschaft solle sich nicht an „die“ anpassen. Warum auch, dafür sei sie nicht gemacht. Ist das wirklich so schwer zu begreifen?

Natürlich ist unsere Gesellschaft gemacht, sich anzupassen. Würde sie das nicht tun, dann dürften Frauen nicht wählen, beeinträchtigte Menschen hätten keine Daseinsberechtigung und die Kirche schriebe uns vor, was wir lesen dürfen. Wir hätten vermutlich keine Angst vor Ausländern, aber vor dem hiesigen Pfarrer. Für den Diebstahl eines Apfels würde uns die Hand abgehackt. Es gäbe kein faires Strafverfahren, sondern Folter bis wir eine Tat eingestünden, die wir nie begangen hätten. Rothaarige würden verbrannt und Andersdenkende verbannt. Es gäbe keine Individualität, keine Vielfältigkeit.

Viele, die zu uns flüchten, wissen nicht, wie wir leben, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Uns ginge es umgekehrt nicht anders. Frust lässt Menschen unsägliche Dinge tun. Das soll nichts entschuldigen, aber es gäbe vermutlich weniger Verbrechen, würden wir jeden Mitmenschen gleich behandeln. Also, wo liegt der Unterschied? Ein Mensch ist ein Mensch, egal woher er kommt, welche Sprache er spricht, woran er glaubt oder wen er liebt.

Sie rufen, so einen dürfe man nicht vorzeitig entlassen. Wäre der Attentäter nicht früher entlassen worden, wäre er im Sommer trotzdem schon frei gewesen und hätte den Anschlag vermutlich dennoch geplant und verübt. Wäre keine Ausgangsbeschränkung ausgerufen worden, hätte er vielleicht eine Anschlagsserie für später geplant. Vielleicht wären noch mehr Menschen zu Schaden gekommen. Es ist wie bei Schrödingers Katze. Nur, dass wir die Box nicht mehr öffnen können. Es wird immer beides sein, ein verheerender Anschlag oder viele.

„Sie sollen nicht fliehen, sondern ihr Land unterstützen und es wieder aufbauen, so haben wir das auch gemacht nach dem Krieg.“ Wir haben nichts getan. Wir waren noch nicht geboren. Unsere Eltern waren noch nicht geboren. So zu sprechen, wenn man nie in der Situation war, ist einfach. Wir sollten uns informieren, wie viele Landsleute während des Zweiten Weltkrieges geflohen sind. Viele sind nie wieder gekommen. Viele haben die Flucht nicht überlebt. Viele haben sich ein neues Leben in einem anderen Land aufgebaut.

Der Attentäter war kein Flüchtling, er war Österreicher.

© Nadja Kirnbauer 2021-10-13

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