Nach meinem Rückzug aus der Kanzlei werde ich ein Wohnzimmer-Restaurant eröffnen. Begeistert erzählt unser Freund von seinen Plänen. Die Küche soll dafür professionell ausgestattet werden. Er hat bereits Kontakt zu einem Kücheneinrichter für die Gastronomie aufgenommen. Jeden Freitag möchte er zehn Gäste am Esstisch in seinem Haus bewirten. Seine Frau wird den Service übernehmen. Wollt ihr euch diesen Aufwand wirklich jeden Freitag zumuten, reicht das nicht einmal im Monat, frage ich vorsichtig.
Wenige Monate später wird die Küche zur Profi-Bühne. Eine Website lädt Interessierte zu einem Festpreis für 6 Gänge mit begleitenden Getränken ein. Dies ist einmal im Monat an einem Freitag möglich. Vorgegebene Termine können angeklickt und gebucht werden. Ich bin erleichtert. Unser Hobbykoch beschränkt sich auf einen Freitag im Monat. Zehn Leute sollen es möglichst sein. Darunter möchte er gar nicht anfangen. Wie aber werden Menschen auf diesen besonderen Ort aufmerksam? Ob Mund-zu-Mund-Propaganda ausreicht? Ich bin gespannt.
Als das Wohnzimmer-Restaurant im Frühsommer dieses Jahres startet, kommt es zu genügend Buchungen. Freunde und Verwandte haben Interesse daran. Sie möchten die Idee des Freundes unterstützen. Als beim zweiten Termin ein Paar absagt und die Anzahl der Teilnehmenden auf acht Personen sinkt ereilt mich ein Anruf. Ob wir uns vorstellen könnten einzuspringen. Wir würden zu dem heutigen Abend eingeladen. Mein Mann lehnt ab. Er möchte ein Fußballspiel sehen. So entscheide ich mich für das Experiment Wohnzimmer-Restaurant und sage zu. Neugierig mache ich mich auf den Weg.
Als letzte betrete ich das Haus unserer Freunde. Von den anwesenden Gästen kenne ich zwei Personen. Die anderen sieben treffe ich zum ersten Mal. Das entspricht dem Konzept. Die Menschen sollen sich in geselliger Runde beim Essen kennenlernen. Ich nehme am unteren Ende des Tisches Platz. Das erleichtert mir ein Gespräch mit den von mir links und rechts sitzenden Damen. Zur Begrüßung gibt es Sekt. Nach einem Gruß aus der Küche wird der erste Gang serviert. Das Carpaccio von Roter Bete sieht köstlich aus. Nach dem dritten Gang, einem auf der Haut gebratenen Kabeljau mit Beilagen, gibt es eine Pause. Die Gastgeber setzen sich zu uns und bringen ein gemeinsames Gespräch in Gang. Nach drei weiteren Gängen und einem Digestif verabschiede ich mich kurz nach Mitternacht von der geselligen Runde. Ein Taxi bringt mich heim.
© Dagmar Lücke-Neumann 2024-10-02