von Norbert Netsch
Dr. Wolfgang Novak ist Kinderarzt und hat sich bewusst Kinderdoktor genannt. Sein Ziel war es, den Kindern den Schrecken vor der Medizin zu nehmen und auf Augenhöhe mit ihnen zu kommunizieren.
So setzte er sich mit ihnen auf den Boden, trug in seiner Praxis im Sommer eine kurze Hose und lief bloßfüßig herum. Die Kinder mochten ihn, und sie lernten ihm zu vertrauen, selbst bei den ungeliebten Impfungen.
Dafür muss man natürlich locker sein und das war Wolfgang Novak schon als junger Mensch, als ich ihn vor über 40 Jahren kennenlernte. Man ändert sich im Lauf der Jahrzehnte oft verblüffend wenig, wenn die Persönlichkeit passt.
Ich erinnere mich noch an eine fröhliche Party, auf der ich 1980 bei ihm eingeladen war. Wir waren damals noch Studenten, manche standen schon am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn. 1998 schrieb ich einen Artikel in meiner Zeitung über ihn, da er als Oberarzt eines renommierten Wiener Krankenhauses seine eigene Praxis eröffnete, und 2021 machten wir anlässlich seiner Pensionierung und der Schließung seiner Praxis einen Podcast. Im Rückblick ist die Zeit schnell vergangen, tatsächlich waren es viele arbeitsreiche Jahre, in denen Unglaubliches von ihm geleistet wurde.
Wolfgang Novak war in der Intensivmedizin tätig und spezialisierte sich in seiner Praxis auch auf die Betreuung von behinderten Kindern. So muss er viel Leid miterlebt haben.
Trotzdem hat er sich überhaupt nicht verändert. Er ist immer noch der liebevolle Familien- und Beziehungsmensch, der sportliche Draufgänger und die Frohnatur. Er steht in einem inneren Gleichgewicht, das nicht leicht aus der Ruhe gebracht werden kann.
Eine Begegnung mit ihm ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Meine Mutter war vor wenigen Tagen gestorben, und ich brachte ihren Rollstuhl zum Bandagisten zurück. Wolfgang war auch gerade dort, weil er für seine pflegebedürftige Mutter einkaufte. Wir mussten nicht viel reden, weil wir uns in der engen Verbindung zu unseren Müttern über alles klar waren. Mit seiner besonderen Ausstrahlung gab er mir aber in diesem Moment Energie, die ich dringend benötigte. Und so gelang es ihm in seinem Leben bestimmt oft, dass er Menschen in schwierigen Lebenssituationen helfen konnte.
Nach der Pension ist es natürlich noch nicht vorbei. Wolfgang Novak beschloss, bei einem anderen Kinderarzt zwei Nachmittage zu ordinieren, um seine PatientInnen weiter betreuen zu können.
Das nenne ich einen gelungenen Wechsel in die Pension. Für viele Menschen ist der harte Schnitt kein Problem, manche schätzen aber den gleitenden Übergang, in dem man sich langsam auf die neue Situation einstellen kann und die alte noch nicht ganz aufgeben muss.
2020 wurden wir beide beinahe gleichzeitig Großväter. Wir wissen, was das bedeutet, wenn aus den fröhlichen Studenten fröhliche Großväter werden, aber wir sehen das Alter nicht als Bürde, sondern als Geschenk, wo man jeden Augenblick genießt. Wer will schon ein Leben lang Student bleiben…
© Norbert Netsch 2021-08-26