von Daniela Adler
„Kinder, es ist schon spät, kommt endlich ins Haus.“ „Was jetzt schon?“ Die Zeit war wie im Fluge vergangen. Spätsommer, irgendwann in den 80ern, im Südburgenland. Es verging kein Tag den wir nicht gemeinsam verbrachten. Wir liebten es, einfach in den Tag hineinzuleben, spontan zu entscheiden, was wir heute denn machen möchten. Am liebsten draußen, in der Natur, im Wald, am Bach, im Garten. Ich erinnere mich noch gut, an die unbeschwerten Momente, wo Raum und Zeit unwichtig waren. Rückblickend war das Leben sehr einfach, ohne viel Konsum, jedoch getragen von Fröhlichkeit und Vertrauen in uns Kinder. Stundenlang im Wald zu sein, gehörte zu unseren Lieblingsbeschäftigungen. Akribisch haben wir Äste zusammengetragen, große und kleine, übereinandergelegt, wieder auseinandergenommen und nochmals aufgestellt. Wir hatten die schönste Höhle gebaut, die man sich nur vorstellen konnte, ausgelegt mit weichem Moos und sattem Gras, verziert mit wunderschönen weißen und gelben Blumen von der am Waldrand gelegenen Blumenwiese. Waren wir stolz. Fröhlich lagen wir auf dem Waldboden und blickten Richtung Himmel. Der Wind wehte, die Blätter rauschten. Zwischendurch zogen hoch oben am Himmel Wolken vorbei. Die Bäume schienen genau dort hinauf ins Unendliche zu wachsen. Manchmal schlossen wir die Augen, lagen still herum und lauschten in die Weite des Waldes. “Hörst du ihn auch?“, fragte sie mich. Ja, laut und deutlich. Er war wieder da, der Specht, der rhythmisch an den Baumstamm klopfte. Und manchmal, ganz in der Ferne, hörte man einen alten Traktor heimtuckern. “Ist das dein Opa?”, lachten wir. Alles schien so friedlich, hier waren wir vogelfrei. Der Wald war unser Lebensraum, indem wir uns geborgen und aufgehoben fühlten.
Ich liebte diesen heilenden Ort. In meiner Kindheit war dies definitiv einer meiner Wohlfühlorte. Auch deshalb, weil es an der Waldlichtung einen für mich ganz besonderen Platz gab. Abends, wenn die Arbeit am Feld erledigt war, nahm mich meine Großmutter an der Hand und wir spazierten gemeinsam über den kleinen Hang entlang an den Waldrand. Vor uns standen viele kleine Bäumchen, die sie, so wie sie mir erzählte, anlässlich meiner Geburt, gepflanzt hatte. „Wenn du einmal groß bist, dann sind auch diese Bäume groß. Sie werden wachsen, so wie du wachsen wirst.“ Ich war sehr beeindruckt, meine Großmutter kann Bäume pflanzen, die so groß werden, dass ein Wald entsteht. Die Vorstellung gefiel mir sehr. Ein Wald für mich. Schon damals spürte ich diese Tiefe und Bedeutung, die meine Oma damit ausdrücken wollte. ❤️🙏
Die Liebe zum Wald ist mir geblieben. Immer wieder kehre ich an diesen für mich magischen Ort zurück, stehe still da, hole tief Luft, atme bewusst die frische Waldluft ein, fülle meine Lungen, atme aus und empfinde große Dankbarkeit darüber, wie unbeschwert ich auf dem Land aufwachsen konnte. Und 🙏 welch Lebensgeschenk ich von dieser bescheidenen klugen Frau vor vielen Jahren bekommen habe.
© Daniela Adler 2021-05-12