Wozu soll ein Mädchen studieren?

Ulrike Puckmayr-Pfeifer

von Ulrike Puckmayr-Pfeifer

Story

Es war am Ende des Wintersemesters 1972/73 an der Universität Wien. Ich studierte Germanistik, Philosophie, Psychologie, Pädagogik. Nach dem Wunsch meiner Eltern sollte ich Lehrerin werden. So wie mein Vater. So wie mein Halbbruder. Von klein auf dazu bestimmt, Lehrerin zu werden. Nur – ich wollte nicht.

Mit 14 wollte ich Schriftstellerin werden. Ein etwas lebensfremder, unrealistischer Traum, wie meine Lehrer und Eltern fanden.
Die Zeit verging. Ich machte Matura. Was nun? Mein Leben fühlte sich an wie ein großes Fragezeichen. Verloren und fremd fühlte ich mich in der Welt.

Ich wurde krank, lag mit Kopfschmerzen im Bett. Unser Hausarzt kam. Meine Mutter erzählte ihm von meinen Problemen, meine weitere Lebensplanung betreffend. Lachend meinte er: Ach was, wozu soll ein Mädchen studieren? Sie wird ja doch heiraten.
Nun, das wollte ich nicht. Abgesehen davon war auch weit und breit kein passender Kandidat in Sicht.

Der Herbst kam. Der September. Zur Beruhigung meiner Eltern probierte ich es dann doch an der pädagogischen Akademie in Strebersdorf. Lehramt für Hauptschulen: Deutsch und Naturgeschichte. Ich fühlte mich nicht wohl dort. Zu schulisch. Zu zielorientiert. Alternativlos auf den Lehrberuf hinarbeitend.

Es wurde Oktober. Studienbeginn an der Universität. Ich fühlte mich magisch hingezogen. Nach heftigen Auseinandersetzungen zu Hause und nachdem mein Vater den entscheidenden Satz gesagt hatte: „Wir haben kein Recht, sie unglücklich zu machen“, inskribierte ich an der Universität Germanistik, Philosophie, Psychologie und Pädagogik, schon in der Hoffnung, dass ich da nicht unbedingt Lehrerin werden müsse. Dass ich dann irgendwie doch Lehrerin geworden bin, ist eine andere Geschichte.

Zurück zu meinem ersten Semester an der Universität. Ich fühlte mich sehr einsam, verloren, orientierungslos. Die anfängliche Euphorie hatte sich schnell verflüchtigt und machte bald einer existenziellen Verzweiflung Platz. Und am Ende des Semesters war die erste Prüfung angesagt. Ein langweiliger Stoff, durch den ich mich lustlos gequält hatte. Ein Einführungsproseminar in die Deutsche Philologie, wo es um wissenschaftliches Arbeiten ging.

Der Tag der Prüfung kam. Ich fühlte mich unsicher, ängstlich, nicht gut vorbereitet. Aber ich ging hin trotz meiner Ängste. Ich fühlte mich gezwungen, diese Prüfung zu machen und meinen Eltern den Beweis meines erfolgreichen Universitätsstudiums vorzulegen.

Irgendwann saß ich vor dem Prüfer. Er war mir unsympathisch. Ich erinnere mich nicht mehr an Details. Aber ich weiß noch, dass ich die Fragen unzureichend beantworten konnte. Ich brach in Tränen aus. Der Prüfer blieb cool, meinte nur noch, wie ich denn die Matura geschafft hätte. Durchgefallen. Meine Verzweiflung war groß. Ich hatte das Gefühl, kein Recht zu haben, an der Universität zu studieren.

© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2020-08-26

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