Wunder aus Frost und Eis

Gernot Blieberger

von Gernot Blieberger

Story

Stephanitag. Während des Frühstücks fasse ichbei einem Blick aus dem Fenster einen Entschluss: Perfekte Verhältnisse, um gefrorene Seifenblasen zu fotografieren. Also schraube ich das Makroobjektiv auf die Kamera, diese auf das Stativ, hole die Seifenblasenlösung aus dem Kühlschrank und stopfe mich in die mehrschichtige Antifrost-Kleidung.

Der Schnee vom Vortag ergibt einen tollen Untergrund, die Lufttemperatur liegt bei -10° und – wichtig wie auch relativ selten – Windstille. Die eben erst aufgegangene Sonne dringt durch die Wolkenbänke.

Ich tauche den ovalen Plastikring in die Lösung, zieh ihn heraus und puste vorsichtig auf den dünnen Film. Die Blase bläht sich auf und zerplatzt. Nächster Versuch. Geduld ist eine weitere wesentliche Zutat.

Vorsichtig pusten, sachte setze ich die Blase auf dem Schnee ab, wo sie zitternd verweilt. Rasch greife ich nach der Kamera, die Einstellung habe ich schon vorgenommen: Blende 3,8 sowie manuelle Schärfeneinstellung, denn bei der hauchdünnen, irisierenden Seifenblasenhaut kommt der Autofokus an seine Grenzen. Auslösen! Eine rasche Kontrolle des Bildes – es entsprichtnoch nicht ganz den Erwartungen.

Ich wechsle die Position,nun steht der gelborange Sonnenball genau hinter der Seifenblase, doch die fällt mittlerweile in sich zusammen, bis sie geräuschlos platzt und nur noch ein paar kläglich aussehende Fäden im Schnee übrig sind.

Kein Problem. Ich produziere die nächste Seifenblase, die mir diesmal wunderbar groß gelingt. Ich stelle mich so hin, dass das orange-gelbe Sonnenlicht durch die Blase fällt. Die sich rasch bildenden Eiskristalle funkeln und glänzen, als ob sie aus purem Gold wären. Ich schieße ein Foto nach dem anderen.

Neue Herausforderungen: Seifenblase zwischen den Zweigen und Knospen einer Magnolie, auf den roten Früchten einer Rose, auf den schneebedeckten, zackigen Blättern einer Stechpalme.

Immer wieder bin ich fasziniert von dem Schauspiel, vergesse die Kälte, die die Finger langsam trotz der Handschuhe klamm werden lässt. Die Technik ist unerbittlicher, denn bald leuchtet die Akkuanzeige der Kamera rot. Noch ein Versuch, diesmal eine Doppelbelichtung: Seifenblase mit den ersten wunderbaren Kristallen, die sich vom Boden in die Höhe recken wie die Wipfel eines Nadelbaumes. Die zweite Aufnahme gilt dem schwindenden Sonnenball, den ich in die Unschärfe lege.

Kälterestistent muss man sein bei dieser Tätigkeit, aber die Ergebnisse belohnen immer und sind nie vorhersagbar. Jedesmal anders gefrieren die Seifenblasen durch, manchmal langsam, dann wieder unheimlich rasch wachsen die Eiskristalle. Immer wieder passiert es, dass einzelne Eisgebilde wie in Panik über die Blasenhaut tanzen. Und dann kann es auch vorkommen, dass sich zum frostigen Schauspiel das Regenbogenirisieren der Seifenlösung gesellt.

Gefrierende Seifenblasen – eine der schönsten, wunderbarsten und faszinierendsten Seiten der Winters.

© Gernot Blieberger 2021-12-27

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