Wundervolles Pan Bagnat

Was wir von den vielfältigen Eindrücken der Welt in uns aufnehmen, halten wir mit unseren Sinnen zum größten Teil fest. Auch eine Hand, ein Fuß kann eine Bewegung erinnern. Die Nase erschnuppert einen Essensgeruch, und schon läuft uns das Wasser im Mund zusammen, weil uns Mutters Kochtopf in den Sinn kommt. Und so kann es mit einem Geräusch, einem Bild, einer Person, einem Stück Stoff sein.

Zu meinen liebsten Erinnerungen an die Côte d’Azur gehört eine in kulinarischer Hinsicht. Ich habe das „gebadete (nasse) Brot“ Mitte der Achtzigerjahre am Strand von Mandelieu kennengelernt und bin ihm sofort verfallen. Als ich es bei uns im Französischkurs erwähnte, war es unserer bretonischen Lehrerin völlig unbekannt. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass es eine rein okzitanisch-traditionelle Köstlichkeit ist: Pan (NICHT Pain) Bagnat, die beste Art von Snack, die ich je kennengelernt habe.

Was also, zumindest noch vor vierzig Jahren, am südfranzösischen Strand zum Dreifachen der üblichen Schinkensemmel angeboten wurde, war ursprünglich das Essen armer Leute, der Morgenarbeiter und Fischer, die noch in der Dunkelheit aufs Meer fuhren.

Für diesen Imbiss wurden runde oder längliche altbackene Brote verwendet. Die Krume wurde entfernt, um Platz für die Fülle zu schaffen. Danach rieb man die Innenseite der Hälften mit Knoblauch ein. Mit Essig, Öl und halbierten Tomaten beträufelt (gebadet), wurde das harte Brot weich genug und aromatisch. Der Belag bestand aus dem, was gerade verfügbar war: Tomatenscheiben, Sardellen, Ei, Zwiebeln, Knoblauch und Oliven. Der Thunfisch war früher noch der vermögenden Bevölkerung vorbehalten, gehört aber heute fix dazu. Lauter Zutaten, die denen der Salade Niçoise ähneln. Unter den lokalen Variationen bevorzugen manche eher Basilikum, andere Mesclun, einen typischen Salat aus Nizza.

Inzwischen gibt es x Varianten, die bis zum Hummer reichen. Ein Graus ist den Puristen natürlich Mayonnaise, Rindfleisch oder gar Speck. Verschiedene Gruppen versuchen heute sogar, das authentische Rezept zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe erklären zu lassen. Doch können sie sich nicht einigen, welche Zutaten nun wirklich die althergebrachten sind.

Wie auch immer: Wenn du für einen Badetag an der Côte d’Azur nur etwas Obst eingepackt hast und dich ein kleiner oder großer Hunger plagt, gibt es kein besseres Sandwich als ein Pan Bagnat. Noch vor 30 Jahren stand alle paar hundert Meter eine Bude am Strand, allein für diesen heiß begehrten Snack. Heute werden sie mehr und mehr von Burger- oder Pizzaständen verdrängt. Sehr schade!