von Rodolfo
2011 wurde Luzern als Hostcity für die Krimi-Reihe Tatort ausgewählt. Die Filmcrew suchte dafür Statisten, am besten natürlich echte Cops. Ich bewarb mich umgehend, wann sonst hat man schon mal Gelegenheit, bei einer grossen Filmproduktion reinzuschauen und sogar mitzumachen? Die Sache wurde professionell aufgezogen, mit Bewerbungsschreiben und einer Art Casting, wo man sich mit verschiedenen Klamotten à la “Germanys Next Top Model” oder besser gesagt: “Lucernes Next Top Cop“ präsentieren konnte. Jeglicher Zeitaufwand dafür musste selbstverständlich in der Freizeit absolviert werden (der Steuerzahler finanziert die Polizei schliesslich nicht fürs fiktive Verbrecherjagen). Schlussendlich bekam ich tatsächlich eine Zusage und einen Drehtag im extra dafür gesperrten Luzerner Hauptbahnhof mitgeteilt. Genau dort musste ich an einem kühlen Frühlingsmorgen in aller Herrgottsfrühe parat stehen. Ich bekam eine klobige Eisenbahnuniform in die Hand gedrückt und sollte als Undercover-Zugschaffner die Geldübergabe anlässlich einer Geiselnahme überwachen. Meine ganze Aufgabe bestand darin, der vorbeigehenden schönen Austauschkommissarin aus den USA (Sofia Milos, bekannt aus CSI Miami) unauffällig zuzunicken. Es wurde in mehreren Einstellungen gefilmt, von vorne, von hinten, von links, von rechts und von oben. Spätestens am Mittag war mir die Sache verleidet und ich hatte innerlich mit meiner Schauspielkarriere abgeschlossen. Mir war kalt in meiner SBB-Uniform und ich hatte Hunger und Durst. Die echten Schauspieler verzogen sich in den Drehpausen in ihre geheizten Rückzugsorte inklusive leckerem Catering, wir Statisten mussten uns in einer Abstellkammer mit kalten Sandwiches begnügen. Jedenfalls endete auch dieser Drehtag irgendwann mal und ich wartete gespannt auf die Erstausstrahlung im TV. Diese erste Luzerner Tatortfolge wurde schon im Vorfeld sehr kontrovers diskutiert und es mussten ganze Szenen herausgeschnitten und neu gedreht werden. So sei zum Beispiel zu viel Schweizer Folklore und Klischees darin zu sehen (Kommissar Flückiger stürzte in einer Szene über ein paar Kuhglocken). Im Gegensatz zu anderen Statisten hatte ich Glück und fiel nicht dem Schnitt zum Opfer. Für einige erwies sich der Episodentitel “Wunschdenken” aber als böses Omen für ihre zukünftige erhoffte Schauspielkarriere. Das breite Publikum wurde auch in den späteren Folgen nie richtig warm mit dem Luzerner Tatort, sodass er inzwischen nach Zürich ausgelagert wurde. NACH ZÜRICH! Höchststrafe für Luzern. Ich hoffe, es lag nicht allein an meiner bescheidenen schauspielerischen Leistung. Wer es sich trotzdem antun will, auf YouTube, “Tatort Wunschdenken”, ab 19 min. 00 Sek. bis 01. Sek., links neben Milos in der blauen Uniform mit der roten Tasche. Als Trostpflaster gab es immerhin 100 Franken Gage. Gar nicht so schlecht für ein paar Zehntelsekunden Leinwandpräsenz.
© Rodolfo 2021-03-05